Styriarte

Ausgrabung in eigener Fassung

Fux-Oper «Psiche» im Innenhof des Schlosses Eggenberg

Stephan Burianek • 28. Juni 2021

Carlotta Colombo (Venus) mit Raffaele Pe (Amor) © Nikola Milatovic

Die Götter können grausam sein: Weil die Schönheit der sterblichen Psyche für die eifersüchtige Venus nur schwer zu ertragen ist, erteilt die Göttin ihrem Sohn Amor einen Mordauftrag. Zum Glück verschätzen sich selbst Gött:innen manchmal: Amor verliebt sich in Psyche und hat quasi metaphysischen Sex mit ihr – sie darf ihn nämlich nicht sehen. Eine solche Beziehung muss scheitern. Letztlich spricht Jupiter als buchstäblicher Deus ex machina ein Machtwort und erhebt Psiche zur Göttin, Amor darf sich nun zeigen und macht seine Liebe vollends happy.

Das ist im Wesentlichen der Inhalt einer Oper, die im Jahr 1720 von dem führenden Librettisten seiner Zeit, Apostolo Zeno, exklusiv für eine einzige Vorstellung anlässlich des Namenstags von Kaiserin Elisabeth Christine (Maria Theresias Mutter) gedichtet und großteils vom Hofkomponisten Johann Joseph Fux komponiert wurde. Bereits seit vier Jahren bildet die Wiederentdeckung des Fux’schen Lebenswerks die Kernstruktur des alljährlichen Styriarte-Festivals, in diesem Jahr stand die besagte Oper «Psiche» auf dem Programm.

Hatte am Premierentag noch Schlechtwetter zu einer Verlegung in die nüchterne Helmut List Halle gezwungen, konnten am Folgetag beide Vorstellungen im herrlichen Ambiente des Innenhofs von Schloss Eggenberg über die Bühne gehen (man spielte um 18 und um 20 Uhr). Wohl um der barocken Rarität ihre vermeintliche Ernsthaftigkeit zu nehmen, geigten davor im Schlosspark auf der Picknickwiese die Spafudler gleichsam als Vorband auf. Dieses Quartett aus zwei Violinen, einem Kontrabass und einer Kontragitarre verarbeitet auf virtuose Weise unterschiedliche Musikgenres, spannt etwa den Bogen von Volksmelodien zur Barockmusik und schafft eigene Kompositionen, nicht unähnlich dem Janoska Ensemble, wenngleich rustikaler – ein lockerer, heiterer Beginn.

Gleich wird Psyche (Monica Piccinini) ihrem Amor (Raffaele Pe) die Flügel verbrennen © Nikola Milatovic

Wie bereits in den vergangenen Jahren sorgte das Zefiro Barockorchester unter der Leitung von Alfredo Bernardini für eine mustergültige Auferstehung des Werks, das in seiner musikalischen Originalität vielleicht nicht ganz an andere, bei der Styriarte bereits präsentierte Fux-Opern heranreicht, wie etwa an «Julo Ascanio, Re d'Alba» (1708) oder «Dafne in lauro» (1714). Kurzweilig war die Produktion dennoch, was nicht zuletzt jenem bewährten Solist:innen-Trio zu verdanken war, dessen Stimmen im Arkadenhof des Schlosses ideal zur Geltung kamen: Carlotta Colombo war auch stimmlich eine vehemente Venus, und erfreute ebenso wie die ein wenig wärmer timbrierte Monica Piccinini als Psyche mit makellos intonierten, nicht gepressten, vibratoarmen Tönen. Der Countertenor Raffaele Pe war ein kraftvoller Amor. Als Merkur war zudem Christopher Ainslie, als Jupiter Giacomo Nanni zu erleben. Gewohnt erstklassig klang der Arnold Schönberg Chor unter der Leitung von Erwin Ortner.

Unterhaltsam war die in ihrer Konventionalität fast schon progressiv wirkende, humorige Inszenierung unter der Leitung von Adrian Schvarzstein, der auf der Bühne außerdem als Statist mitwirkte. Die barocke, bunte Kostümierung aller Darsteller:innen unterstrich den Leichte-Muse-Charakter des Werks, und auch die spärlichen Versatzstücke, darunter ein Türmchen mit Treppe und einer Chaiselongue darauf, nahmen Bezug auf seine Entstehungszeit (Ausstattung: Lilli Hartmann). 

Der Arkadenhof im Schloss Eggenberg bietet einen wunderbaren Rahmen © Nikola Milatovic

Einen Wermutstropfen gab es indes: Anders als es unter normalen Umständen naheliegend gewesen wäre, erklang das Werk nicht zum ersten Mal seit 300 Jahren in seiner Uraufführungsfassung – die im letzten Drittel aufgrund eines Gichtanfalls bei Fux teilweise von Antonio Caldara komponiert wurde und am Schluss die Kaiserin preist (eine zweite, zwei Jahre nach der Uraufführung publizierte, vollständig von Fux komponierte Fassung wurde bei den Festwochen der Alten Musik in Innsbruck erstmals aufgeführt). Aufgrund der gebotenen Zuschauerbeschränkung wurde die Uraufführungsfassung um mehr als eine halbe Stunde auf 85 Minuten gekürzt (um zweimal hintereinander spielen zu können), wodurch etwa Psyches Schwestern dem Rotstift zum Opfer fielen. Vielleicht besteht zu einem späteren Zeitpunkt die Möglichkeit einer vollständigen Einspielung – immerhin ist kürzlich eine Aufnahme der «Dafne in lauro»-Styriarte-Produktion aus 2019 auf CD erschienen. Eine Tondokumentation aller Fux-Opern wäre zweifellos reizvoll.

«Amor und Psyche» («Psiche») – Johann Joseph Fux und Antonio Caldara

Styriarte im Innenhof von Schloss Eggenberg
Kritik der Vorstellung am 27. Juni 2021