Würdigungen für Gustav Brecher
Namenswidmung der großen Probebühne im Opernhaus und Stolpersteine auf dem Augustusplatz und in Markkleeberg
Oper Leipzig • 14. Mai 2022
In einer Gedenkstunde an der Oper Leipzig wurde am heutigen Freitag, 13.5.22, die Probebühne 1 in Gustav-Brecher-Probebühne umbenannt. Zu Ehren des jüdischen Musikers, Komponisten und Dirigenten enthüllten Dr. Skadi Jennicke, Bürgermeisterin und Beigeordnete für Kultur der Stadt Leipzig, und Intendant und Generalmusikdirektor Prof. Ulf Schirmer, zusammen mit Wolfgang Ramsner vom Förderkreis der Oper Leipzig e.V. und Küf Kaufmann, dem Vorsitzenden der Israelitischen Religionsgemeinde zu Leipzig, eine Bronzetafel mit Name, Titel und Lebensdaten dieser bemerkenswerten Künstlerpersönlichkeit des Leipziger Musiklebens.
Vorbild für Generationen
Gustav Brecher prägte von 1923 bis 1933 als Generalmusikdirektor und Künstlerischer Leiter das Musiktheater Leipzigs. Er hatte erstmalig die Idee, die vollendeten musikdramatischen Werke Richard Wagners in chronologischer Reihenfolge aufzuführen, und bereitete das Mammutprojekt bereits vor, als ihn 1933 die Nationalsozialisten wegen der »Förderung entarteter Künstler« und seiner jüdischen Abstammung aus dem Amt drängten. Bis heute unvergessen wegen seines hohen Schwierigkeitsgrades ist sein »Brecher-Auszug« vom »Fliegenden Holländer«. Doch Gustav Brecher galt, ähnlich wie Otto Klemperer an der Berliner Kroll-Oper, als einer der wichtigsten Erneuerer des Musiktheaters. Seine Ära steht für den konsequenten Aufbau und die Pflege eines Ensemblewesens, die Erweiterung des Spielplans um zeitgenössische Werke und um Leipziger Uraufführungen von avantgardistischen Komponisten wie Ernst Křenek und Kurt Weill. In den Musikdramen Richard Wagners sah Gustav Brecher die kongeniale Verbindung von Musik, Text und Szene repräsentiert und wollte daher sämtliche Werke des in Leipzig geborenen Komponisten in dessen Heimatstadt auf die Bühne bringen. Nach der Uraufführung von Kurt Weills »Silbersee« 1933 und einem letzten Dirigat der »Meistersinger« wurde er entlassen und verließ die Stadt; seine Idee des künstlerischen Wagnerfestivals wurde ideologisch vom nationalsozialistischen Unrechtsstaat besetzt und ohne ihn fünf Jahre später anlässlich des 125. Geburtstages Richard Wagners zum ersten und im 20. Jahrhundert einzigen Mal realisiert. Die antisemitische Kündigung, das Exil und die Angst kosteten letztendlich Gustav Brecher das Leben: Zusammen mit seiner Ehefrau Gertrud Deutsch und deren Mutter beging er auf der Flucht 1940 Selbstmord.
Gegen Vergessen und Ausgrenzung
Mit der Ehrung im Opernhaus und den Festtagen »Wagner 22« setzt sich die Oper Leipzig bewusst in Beziehung zur ursprünglichen Idee Brechers und verneigt sich zugleich vor dessen herausragender Künstlerpersönlichkeit.
Prof. Schirmer: »Gustav Brecher dem unerträglichen Vergessen zu entreißen, dem er ausgeliefert wurde, empfinde ich als Auftrag und auch Ehre. Er hat so wegweisend als Operndirektor gewirkt und gearbeitet, dass die nächsten Generationen sich nur an ihm orientieren müssen, um das Geheimnis zu verstehen, was ein Opernhaus stark und einzigartig machen kann."
Dr. Skadi Jennicke mahnte angesichts des Schicksals Brechers und antisemitischer Infamie zu allen Zeiten: »Lassen Sie uns wachsam sein gegenüber pauschalen Verurteilungen, gegenüber Ausgrenzung und gegenüber alten und neuen Stereotypen.«
Patenschaft für drei Stolpersteine
Zusätzlich zur heutigen Ehrung wird am Montag, 16. Mai 2022, um 15.45 Uhr vor dem Haupteingang des Opernhauses ein Stolperstein für Gustav Brecher verlegt – und am Vormittag um 11 Uhr bereits zwei Stolpersteine am ehemaligen Wohnort des Ehepaars Brecher in Markkleeberg. Die Patenschaft für die drei Stolpersteine wurden von Prof. Ulf Schirmer übernommen; der Förderkreis der Oper Leipzig e. V. ermöglichte die Ehrentafel sowie den neuen Schriftzug »Gustav-Brecher-Probebühne« – beides aus der Leipziger Werkstatt der Bronzegiesserei Noack.