Protest gegen Drogenszene rund um das Theater Krefeld

Mitarbeiter wenden sich an NRW-Innenminister

Theater Krefeld und Mönchengladbach • 03. November 2022

Mitglieder des Theater überreichen ihr Protestschreiben an Innenminister Herbert Reul (Mitte).
Mitarbeiter des Theaters Krefeld übergeben ihr Protestschreiben an Innenminister Herbert Reul (Mitte). © Britta Oellers

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Theaters Krefeld und Mönchengladbach haben sich an den Innenminister von Nordrhein-Westfalen, Herbert Reul (CDU), gewandt, um auf die aus ihrer Sicht schwierigen sozialen Verhältnisse rund um das Theater Krefeld aufmerksam zu machen. Der Außenbereich des Bühnenbaus ist zum Hotspot für die örtliche Drogenszene geworden. 

Hier der Wortlaut des Schreibens:

Sehr geehrter Herr Reul,
wir sind die Künstlerinnen und Künstler, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Theater Krefeld und Mön-
chengladbach gGmbH. Uns ist es schon länger ein großes Bedürfnis, auf die Situation in der Umgebung unseres
Theaters in Krefeld aus unserer Sicht aufmerksam zu machen. Daher wenden wir uns mit einem Brief heute an
Sie.

Manchmal stellen wir uns etwas vor:
Wir arbeiten an einem Theater, wo man nach der Probe noch gemeinsam in der Sonne vor dem Theater bei
einem Eis sitzt, oder nach einer Vorstellung an einem lauschigen Sommerabend bei einem Getränk mit dem
Publikum ins Gespräch kommt. Ein Brunnen plätschert; tagsüber sieht man Jugendlichen zu, die sich an einer
Skater-Rampe ausprobieren oder Kindern, die mit frisch ausgeliehenen Büchern aus der Mediathek nebenan
es sich auf Bänken gemütlich machen. Die Möglichkeiten der Träume sind grenzenlos.
Kurz: es herrscht ein reges Treiben in angenehmer, freundlicher Stimmung. Ein Ort der Begegnung und des
Austauschs.

Stattdessen arbeiten wir an diesem Ort:
Es vergeht kein Tag, an dem man nicht auf suchtkranke Menschen trifft, die im Bereich des Bühneneingangs
ihre Drogen konsumieren, dealen oder um Geld betteln, wenn man das Fahrrad am Mitarbeiterradständer ab-
schließt. Der Mitarbeiterparkplatz ist komplett mit Fäkalien, benutzten Binden, verdrecktem Toilettenpapier
und anderem Müll verunreinigt.

Ausblick auf massiven Drogenkonsum

Unsere Kolleg*innen aus der Requisite, deren Werkstatt sich im Keller befindet, haben direkt vor ihren Fens-
tern die Aussicht auf Menschen, die sich eine Nadel in den Hals, den Arm oder zwischen die Zehen jagen; auf
blanke Hinterteile beim (Entschuldigung!) Kacken oder auf Geschlechtsteile beim Urinieren oder Tamponwech-
sel. Derselbe Anblick bietet sich ebenfalls täglich den Kolleg*innen der Maske vor ihren Arbeitsräumen im Erdge-
schoss. Unser Opernchor kann des Kloakengestanks wegen nur noch mit geschlossenen Fenstern im Chorsaal im Untergeschoss proben. Unser Theaterfotograf muss regelmäßig über schlafende und/oder zugedröhnte
Personen steigen, um sein Atelier zu betreten. Das Gleiche gilt am Eingang zu den Verwaltungsräumen im be-
nachbarten Theaterhaus.

Das Gebäude ist über weite Teile wie ein Gefängnis eingezäunt, damit die denkmalgeschützte (!) Bausubstanz
nicht unter dem Urin der Suchtkranken und Obdachlosen leidet und um Einbrüche zu verhindern. Mittlerweile
klettern die Suchtkranken aber auch über den Bauzaun, der um die Mitarbeiterterrasse errichtet wurde.
Um zur Theaterkasse zu gelangen, muss man entweder an vor sich hindämmernden oder pöbelnden Men-
schen, an Schwaden von Urin- und Müllgestank vorbei, oder, um diesem Elend zu entgehen, den Weg durch
die Tiefgarage wählen, wo inzwischen auch gedealt und konsumiert wird. Die Menschen lagern mittlerweile in
Schlafsäcken und provisorischen Zelten auf dem Theaterplatz. Durch den Müll, den sie auf dem Platz ver-
streuen, gibt es rund um das Theater immer mehr Ungeziefer, darunter zunehmend Ratten, die den Weg in
unsere Arbeitsräume finden.

Theaterplatz wird zur "CrackCity"

Mittlerweile wird der Theaterplatz in Krefeld bei TikTok mit Sprüchen wie „#KrefeldCrackCity“ oder „Krefeld ist
krass und es gibt keine Konsequenzen!“ als beste Location für die Drogenszene, für Nutzer und Dealer, bewor-
ben! Die Umgebung unseres Arbeitsplatzes ist psychisch belastend und zum Teil physisch bedrohlich. Letztes
Jahr gab es am helllichten Tag einen Angriff auf eine Mitarbeiterin der Theaterkasse. Letzten Monat wurde
eine Bierflasche gegen die Fensterscheibe einer Künstlergarderobe im Erdgeschoss geworfen, die dadurch zu
Bruch ging. Eine Außentreppe, die ebenfalls unter Denkmalschutz steht und im Notfall ein gesetzlicher Flucht-
weg ist, wurde zerstört, um als Drogenversteck zu dienen. Die Auflistung könnten wir weiterführen.
Kurz: es kostet Überwindung, sowohl tagsüber, als auch nachts, zum Theater zu gehen. Es ist ekelhaft, unange-
nehm und gefährlich.

Es gibt Abonnent*innen, die überlegen, ihr Theaterabonnement zu kündigen oder dies leider schon getan ha-
ben, weil sie sich nicht mehr auf dem Weg zum Theater, geschweige denn spät abends nach einer Aufführung
auf dem Weg nach Hause, sicher fühlen. Darüber hinaus sind der Zustand und die Atmosphäre des Theatervor-
platzes nicht nur für unser treues Publikum abschreckend, sondern der Platz wirkt überhaupt nicht attraktiv
und einladend für neue Zuschauer*innen, die wir erreichen und akquirieren möchten!
Obwohl das Problem schon viele Jahre andauert und in der Stadt bekannt ist, eskaliert die Situation geradezu,
möglicherweise in Verbindung mit den überregionalen Aktivitäten in den Sozialen Medien, allen voran TikTok.
Unsere Theaterbesucher*innen und wir fühlen uns auf dem Theaterplatz und in seiner Umgebung nicht mehr
sicher. Wir sind jetzt an einem Punkt, an dem wir uns nur noch mit diesem Brief an Sie glauben helfen zu kön-
nen, denn alle örtlichen Wege scheinen uns erfolglos ausgeschritten zu sein. Uns wurde die Aussage vermit-
telt: Die Polizei möchte an diesem Zustand nichts ändern, weil sie die Szene an diesem Ort gut unter Beobach-
tung halten kann. Da die Zuständigkeit für Sicherheit in Nordrhein-Westfalen bei Ihnen liegt, wenden wir uns
an Sie in der großen Hoffnung, dass es Ihnen gelingt, die hier verloren gegangene Sicherheit wiederherzustel-
len.

Es existieren Fotografien aus den 60-er Jahren, auf denen das Theater mondän und anziehend aussieht. Diesen
Zustand wünschen wir uns sehnlichst zurück: einen Ort der Kultur, der ein Schmuckstück für die Stadt und de-
ren Umland ist und für die Stadtgesellschaft identitätsstiftend. Einen Ort, an den wir mit Stolz Menschen aus
anderen Städten einladen können. An dem wir uns außerhalb unserer Arbeitszeit gerne aufhalten.
Während wir diesen Brief verfassten, erfuhren wir aus der Presse von Ihrem Austausch mit der Krefelder FDP-
Fraktion. Wir sind Ihnen dankbar, dass Sie sich dieser Angelegenheit so engagiert angenommen haben. Wir
laden Sie höflichst zu uns ins Theater ein und würden uns über ein offenes Gespräch mit Ihnen sehr freuen. So,
wie es jetzt ist, erstickt das Theater langsam an der Szene und der Theaterplatz ist „Sperrgebiet“ für die Bür-
ger*innen der Stadt.

Mit freundlichen Grüßen und der dringenden Bitte um Unterstützung

Der Betriebsrat in Vertretung der Mitarbeiter*innen der Theater Krefeld und Mönchengladbach gGmbH