Streams zu Jahresende
Glitzer hier wie dort
«Der Prinz von Schiras» aus Regensburg am 29. Dezember im Deutschlandfunk; «Die Fledermaus» aus der Bayerischen Staatsoper an Silvester auf Arte
Klaus Kalchschmid • 27. Dezember 2023
In Regensburg wagte man nach fast 90 Jahren die deutsche Erstaufführung von Joseph Beers «Der Prinz von Schiras», 1934 am Stadttheater Zürich uraufgeführt und in halb Europa nachgespielt. Die erste Operette des gerade mal 24 Jahre alten jüdischen Komponisten bedient sich raffiniert vieler verschiedener Stile. Da gibt es die große, opernhafte Geste à la Lehàr, spritzig parlierende Buffo-Duette wie von Emmerich Kálmán oder rhythmisch zündende Tanz-Schlager: All das wird verfeinert durch eine üppig schillernde Instrumentation, die fast an Erich Wolfgang Korngold denken lässt.
Auf einem Luxusliner verliebt sich der persische Prinz Nadir in die Amerikanerin Violet. Die ist freilich verlobt mit Harry Hastings. Als ein japanisches Kriegsschiff den Luxusliner beschießt, entführt der persische Prinz Violet, um sie vermeintlich zu retten. Doch nachdem sie eine Liebesnacht verweigert hat, sperrt er sie in seinen Harem, bevor der Vicomte de la Motte-Latour sie nach Europa bringen kann, wo dann reumütig der Prinz ein überraschendes Happy End herbeiführt.
In Regensburg ist das Schiff ein silberglänzender Geschenkkarton auf der Drehbühne, der sich in Persien öffnet. Am Ende ist das Papier des Kartons abgerissen und blutrot prangt auf schäbiger Pappe der Schriftzug HAPPY AND… (Bühne: Kristopher Kempf). Sebastian Ritschel, der auch die schillernden Kostüme entworfen hat, führte temporeich Regie. Perfekt dargeboten sind die zahlreichen von Gabriel Pitoni choreografieren Tanzszenen. Carlos Moreno Pelizari gewinnt immer mehr an Tenor-Glanz und auch der kühle Sopran von Kirsten Labonte als Violet wird mit zunehmendem Widerstand gegen die männliche Vereinnahmung runder und schöner. Matthias Störmer als umschwärmter Vicomte de La Motte-Latour ist ein feiner, heller Bariton mit Sexappeal, Paul Kmetsch verkörpert mit kernigem Buffotenor den Steward. Theodora Varga gibt der Schwester des Prinzen ebenso energischen wie klangvollen Nachdruck und Harry Hastings ist eine feine Parodie auf alle Männer, die Loriot einst spielte. Dem opulenten Glitzer auf der Bühne und dem perfekten Timing der Regie kann das Philharmonische Orchester Regensburg unter seinem GMD Stefan Veselka stets Effektvolles entgegensetzen.
Kosky eliminiert das Wienerische
An der Bayerischen Staatsoper in München setzt man dagegen – nach einem gelungenen Experiment mit Lehàrs «Giuditta» wieder auf Bewährtes und damit die einzige Operette, die für wert erachtet wird, an einem großen Opernhaus aufgeführt zu werden: «Die Fledermaus» von Johann Strauß. Vladimir Jurowski hatte sich eine Neuproduktion gewünscht, für die er genug Proben hatte, um die Partitur einem Röntgenblick auszusetzten und ihr das allzu Wienerische auszutreiben, wie das auch Barrie Kosky mit eher zweifelhaftem Erfolg gelingt. An seinem Haus, der Komischen Oper in Berlin, hat er sich grandios dem Genre der Revue-Operette gewidmet, viele Stücke der Vergessenheit entrissen und zu erfolgreichen Kassenschlagern gemacht.
Kein Wunder also, dass beim Prinzen Orlofsky – hier eine aufgetakelte Dragqueen, gesungen von Countertenor Andrew Watts – eine wilde Orgie gefeiert und getanzt wird (Choreografie: Otto Pichler), bei der nicht nur Rosalinde maskiert ist, sondern auch die komplette Ballgesellschaft exzentrisch verkleidet und geschminkt (Kostüme: Klaus Bruns). Schon im ersten Akt war alles wie beschwipst in Bewegung, vor allem die Häuser am „Judenplatz“ in Wien, wie ein Schild verrät, zwischen denen ein großes Lotterbett quasi auf der Straße steht. Am Ende des zweiten Akts werden die gemalten Prospekte heruntergerissen und einzig die begehbaren Metallgerüste bleiben stehen. An die Rampe gefahren, bilden sie das Gefängnis des dritten Akts (Bühne: Rebecca Ringst). Martin Winkler muss Gefängnisdirektor Frank nahezu nackt im Tanga als armen, lüsternen Irren spielen und statt eines Froschs gibt‘s gleich sechs, von denen einer eine famose Step-Nummer hinlegen darf.
Endgültig vorbei sind also die Zeiten, als der Gefängnisdiener von einem Kabarettisten gespielt wurde, der mehr oder weniger treffende politische Anspielungen machte. Dann kommt es zum Verhör, in dem der als Notar Dr. Blind (Kevin Conners) verkleidete Eisenstein (ein Mann am Rande des Wahnsinns: Georg Nigl) seine Frau (ebenfalls enorm aufgekratzt: Diana Damrau) des Ehebruchs überführen will mit ihrem Liebhaber Alfred (Sean Panikkar gibt mit tenoralem Glanz einen attraktiven Lover). Doch am Ende heißt es bekanntlich nur: „Champagner hat‘s verschuldet!“
«Der Prinz von Schiras» – Joseph Beer
Theater Regensburg
Deutschlandfunk überträgt die Aufzeichnung der Premiere am 29. Dezember (20:03 Uhr) // Link zu Deutschlandfunk
Live-Termine: 31. Dezember 2023; 7./13. Januar; 10./17./24. Februar; 3./16. März; 1./14./16./21. April 2024
«Die Fledermaus» – Johann Strauß
Bayerische Staatsoper ∙ Nationaltheater (München)
Zeitversetzt live ist die Silvester-Vorstellung der «Fledermaus« am 31. Dezember auf staatsoper.tv und Arte (22:40 Uhr) zu sehen (ab 1. Januar für 30 Tage on demand). // Links zu staatsoper.tv und Arte
Live-Termine: 28./31. Dezember 2023; 2./5./7./10. Januar; 31. Juli 2024