Mozartwoche Salzburg

Unterhaltung mit Tiefgang

Intendant Rolando Villazón feiert den Geburtstag von „Wolfgang Amadeus ich-liebe-dich Mozart“ mit einem bunten Veranstaltungsmix, der Freude macht. Auch Antonio Salieri wird geehrt

Stephan Burianek • 28. Januar 2024

Intendant Rolando Villazón - hier beim Schlussaplaus mit Dirigent Roberto González-Monjas nach dem Eröffnungskonzert - trägt Mozarts Freude in die Welt © Wolfgang Lienbacher

Rolando Villazón ist und bleibt ein Publikumsliebling. Wenn der Sänger, wie beim Eröffnungskonzert zur diesjährigen Mozartwoche, vom Jahr 1956 spricht und sich mit den Worten „Damals war ich noch gar nicht auf der Welt, und Sie auch nicht“ an das teils ergraute Publikum wendet, dann zeigt kaum ein Mundwinkel nach unten. Sein Auftreten, so übertrieben und teilweise aufgesetzt es mitunter wirken mag, kommt gut an, und seinen mexikanischen Zungenschlag lieben die Salzburger nicht weniger als die Kalifornier die steirische Sprachfärbung von Arnold Schwarzenegger.

Seit fünf Jahren ist Villazón der Intendant der Mozartwoche. Er war damals mit dem Ziel angetreten, den Stiftungszweck ihres Veranstalters, der Internationalen Stiftung Mozarteum, näher zu kommen als bisher, nämlich das Wirken Mozarts in die weite Welt zu tragen – auch zu jenen Menschen, die mit klassischer Musik wenig am Hut haben. Villazóns internationale Bekanntheit und seine mitreißende Begeisterung für das Genie, das er ausschließlich „Wolfgang Amadeus ich-liebe-dich Mozart“ nennt, machen ihn tatsächlich zu einem medienwirksamen und zumindest in der Woche um Mozarts Geburtstag am 27. Januar zum omnipräsenten Aushängeschild.

Und endlich, möchte man fast schon sagen, knüpft er thematisch in gewisser Weise dort an, wo seine engagierte, aber leider vorzeitig verabschiedete Vorgängerin Maren Hofmeister aufgehört hat: Man setzt Mozart in diesem Jahr nämlich in den Kontext zu einem seiner Zeitgenossen, konkret mit dem von der Nachwelt vielgeschundenen Antonio Salieri. 


Eine Entdeckung gleich zu Beginn

Schon das Eröffnungskonzert offenbarte den ideenreichen Charakter der Musik des seinerzeit hoch angesehenen kaiserlichen Kammerkomponisten und späteren Kapellmeister der Hofmusikkapelle. Der humoristische Grundton in Salieris Symphonie „Il giorno onomastico“ (Der Namenstag), deren Originalpartitur in der Österreichischen Nationalbibliothek aufbewahrt wird, erinnert immer wieder an Mozart. Nur im zweiten Satz (Larghetto) kippt ein zwitscherartiges Motiv von ungemein zarter Schönheit, das vom versierten Mozarteumorchester unter seinem Chefdirigenten Roberto González-Monjas eine ganze Weile lang in einer Art Schwebezustand gehalten wurde, gegen Ende ins Melancholische.

Als Rahmen für diese kleine Entdeckung – es gibt nur wenige Aufnahmen von Salieris Werken – dienten Mozarts erste Symphonie (noch in der dreisätzigen italienischen Form) und seine letzte, die „Jupiter“-Symphonie. Garniert wurde das Programm durch Mozarts erste, im Alter von neun Jahren geschriebene Arie – die Konzertarie „Va, dal furor portata – und ebenfalls dessen letzte, der finalen Arie des Tito aus «La clemenza di Tito». Dass Rolando Villazón, der den Abend auch moderierte, nach eigener Aussage mit einer Verkühlung zu kämpfen hatte, hörte man in seinen druckvollen Attacken nicht. Mit der eingeschobenen Arie „Con ossequio, con rispetto“ (Mit Ehrfucht, mit Respekt) lieferte der dunkeltimbrierte Tenor zudem den komödiantischen Höhepunkt des Abends.


Mozart und Salieri in Briefen

In Mozarts Wohnhaus sang Tamara Ivaniš Lieder und Arien von Mozart und Salieri, Carlos Goikoetxea begleitete sie auf Mozarts Flügel, und Stefan Wilkening rezitierte Briefe © Wolfgang Lienbacher

Innerhalb des niederschwelligen Programms, in dem neben klassischen Konzerten auch Filmvorführungen und afrikanische sowie lateinamerikanische Rhythmen ihren Platz gefunden haben, sorgt Ulrich Leisinger, der Wissenschaftliche Leiter der Mozarteum-Stiftung, für Veranstaltungen mit einem gewissen Tiefgang. Im bewährten Format „Briefe und Musik“ stellte er diesmal Briefe vor allem von dem Bass-Sänger Michael Kelly zusammen, die ein Bild von Salieri und seiner Zeit in Wien zeichnen und von Stefan Wilkening in Mozarts Wohnhaus mitreißend gelesen wurden (das wurde hoffentlich für die Nachwelt aufgezeichnet). Gefeiert wurden an diesem Nachmittag zudem die Sopranistin Tamara Ivaniš (Ensemblemitglied des Salzburger Landestheaters) und Carlos Goikoetxea an Mozarts „Walter“-Flügel, die u.a. das Freudenlied „Per la ricuperata salute di Ofelia“ interpretierten, einem Kollektivwerk von Mozart und Salieri (und einem gewissen „Cornetti“, vermutlich Alessandro Cornet).

Tags zuvor sprachen Leisinger und Villazón in einem öffentlichen „Talk“ im Wiener Saal des Mozarteums mit dem Salieri-Forscher und Komponist Timo Jouko Herrmann. Natürlich wurde dort auch die Frage erörtert, ob Salieri, wie jahrhundertelang kolportiert, Mozart vergiftet haben könnte. Das sei mittels forensischer Analysen von Mozarts Haarlocken längst widerlegt, so Herrmann. Stattdessen sprach er von einem „unglaublich humorvollen, höchst angesehenen und hilfsbereiten Menschen“, der gerne in Gesellschaft und Vater von acht Kindern war. „Sein großes Credo, das weiß man aus Dokumenten, war Dankbarkeit. Salieri wurde im Alter von 15 Jahren Vollweise, und er sagte immer: ‚Das, was mir Gutes widerfahren ist, möchte ich weitergeben‘“.


Zwei ganze Opern

Im Marionettentheater verkörperten Puppen die Figuren Mozart und Salieri. Links im Bild ein Geiger, mit dem Mozart an Salieris Nervenkostüm zupft © Bernhard Müller

Als Puschkin sein Dramolett „Mozart und Salieri“ schrieb und Rimski-Korsakov daraus eine gleichnamige Kurzoper machte, war den Aussagen, wonach Salieri am Ende seines Lebens im Fieberwahn von der Ermordung Mozarts gesprochen haben soll, noch Glauben geschenkt worden. Matthias Bundschuh erarbeitete für das Salzburger Marionettentheater eine neue deutsche Textfassung, die sich aber an das Original hält. Er führte außerdem Regie und entwarf die Marionetten – mit einem Salieri, der ein wenig aussieht wie ein zahnloser Graf Dracula. Weil Rimski-Korsakows Oper nur ca. 45 Minuten dauert, stellt Bundschuh ihr ein Vorspiel voran und lässt die gealterte, widerwärtige Diva Isora abfällig über Salieri sprechen – und singen: Ekaterina Krasko interpretiert vier Salieri-Arien, erst danach treffen Konstantin Igl und Brett Pruunsild wohltönend als Mozart bzw. Salieri aufeinander. Vor dem makabren Setting sitzen knapp ein Dutzend Studierende der Universität Mozarteum, unter der Leitung von Kai Röhrig meistern sie die Partitur makellos.

Weit häufiger gespielt wird Mozarts letzte Oper «La clemenza di Tito». Es mag auch ein wenig den aktuellen politischen Ereignissen geschuldet sein, dass man diese Ode an milde Herrscher häufig in diesem Jahr erleben wird können: In Salzburg feiert sie zu Pfingsten als Produktion der Salzburger Festspiele eine weitere Premiere, und in Bayreuth stellen die Gluck-Festspiele im kommenden Mai die Versionen von Mozart und Gluck einander gegenüber. 

Magdalena Kožená und Hanna-Elisabeth Müller begeisterten als intrigantes Paar Sesto und Vitellia © Wolfgang Lienbacher

Mit der als „halbszenisch“ angekündigten, letztlich mehr szenischen als konzertanten Produktion startete die Mozartwoche jedenfalls musterhaft in dieses «Tito»-Jahr. Das Originalklang-Orchester Le Concert des Nations spielte mit warmem Klang und ruppig-schönem Blech. Sein Gründer Jordi Savall dirigierte sängerfreundlich zurückhaltend und doch mit einer Dynamik, die dieses fast dreistündige Werk wie im Flug vergehen ließ. Für zarte Soli sorgte der Klarinettist Francesco Spendolini, der von den Regieführenden Bettina Geyer und Rolando Villazón in beiden Arien von Sesto („Parto!“) und Vitellia („Non più di fiori“) auch szenisch eingebunden wurde.

In dieser Oper stiftet Vitellia den ihr verfallenen Sesto an, seinen Freund und Kaiser Tito zu ermorden. Der Versuch schlägt fehl, am Ende verzeiht der König den Verrätern. Hanna-Elisabeth Müller brillierte bei der Premiere als Vitellia mit einem wohlig-warmen Timbre, überzeugendem Spiel und hoher Textverständlichkeit. Immer noch bei potenter Stimme ist zudem Magdalena Kožená, die ihre Sesto-Partie auf eine hervorragende Technik betten kann – und deren Fanklub im Publikum von allen Sängern hörbar der größte war.

Edgardo Rocha ist ein kultiviert singender Tito mit einer eher dünnen Stimme, was in diesem Fall kein Problem war, denn die Sänger stehen in dieser Produktion an der Rampe und haben das Orchester in der Regel im Rücken. Mit ihrem hell-durchdringenden Mezzo war Marianne Beate Kielland ein erfreulicher Annio, der in Servilia mit Christina Gansch eine stimmlich schön präsente Braut hatte. Salvo Vitale rundete als volltönend-sonorer Hauptmann Publio das erfreuliche Sängerensemble ab. 

Im Publikum saßen vierzehn junge Klarinettisten und Klarinettistinnen der Iberacademy Medellín (Kolumbien), die in dieser Woche in mehreren Veranstaltungen ihre Begabung zeigen. Auch sie werden mit Villazóns Credo nach Hause zurückkehren und es weitertragen: „Mozart lebt, und Salieri auch ein bisschen.“


Internationale Stiftung Mozarteum
Mozartwoche 2024

Termine «La clemenza di Tito» (Felsenreitschule): 28. Januar; 2. Februar
Termine «Mozart und Salieri» (Marionettentheater): 31. Januar; 3./4. Februar
Die Mozartwoche läuft bis zum 4. Februar