Theater Erfurt

Affäre nun auch vor Gericht

Die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Erfurt klagt gegen ihre fristlose Kündigung. War der Rauswurf rechtens? Das Arbeitsgericht hat dazu viele Fragen, es wurde eine Petition gestartet

Ute Grundmann • 18. April 2024


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Mary-Ellen Witzmann kämpft vor Gericht gegen ihre Kündigung © Marco Schmidt / Funke Medien Thüringen

Noch ist nicht entschieden, ob die fristlose Kündigung von Mary-Ellen Witzmann als Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Erfurt rechtens war oder nicht. Das dortige Arbeitsgericht vertagte sich nach dem ersten Verhandlungstag bis zum 12. Juni. Es gehe hier „um ein Sammelsurium von Problemen“, so Richterin Hofmann zu Beginn des Prozesses, von denen sie aber nur über einen kleinen Teil zu befinden habe.

Mary-Ellen Witzmann hatte die schweren Vorwürfe von Machtmissbrauch und sexueller Belästigung am Theater Erfurt öffentlich gemacht (siehe „Neustart nicht mehr möglich“ und „Frustration und Schock“). Damit hatte sie die Affäre und deren mögliche Aufklärung überhaupt erst ins Rollen gebracht. Doch die Stadt Erfurt kündigte sie fristlos, weil sie „gegen Dienstanweisungen verstoßen“ habe, Öffentlichkeitsarbeit gehöre nicht zu ihren Aufgaben, lautete ein weiteres Argument.


Hausaufgaben für beide Seiten

Die Richterin am Arbeitsgericht betonte allerdings, sie habe nur darüber zu befinden, ob die fristlose Kündigung wirksam sei oder nicht. Zudem regte sie eine gütliche Einigung an. Doch schon ein Gütetermin zwischen der Stadt Erfurt und der Gekündigten Ende vergangenen Jahres war ohne Ergebnis geblieben. So gab es noch keine Entscheidung in der Sache, aber die Richterin stellte beiden Seiten eine Reihe von Aufgaben.

Die Stadt solle nachweisen, dass der Kündigung ein zustimmender Beschluss des Betriebsrates vorgelegen habe. Mary-Ellen Witzmann solle belegen, dass die Frauen, die sich ihr anvertraut hätten, mit einer Information der Presse einverstanden gewesen seien. Auch sei zu fragen, ob sie alle Möglichkeiten ausgeschöpft habe, ihre Beschwerde in der Stadtverwaltung voranzubringen. Der hatte Witzmann „Untätigkeit“ in Bezug auf die Vorwürfe gegen die Bühne der Landeshauptstadt vorgeworfen.

Doch bevor sie ihrem Arbeitgeber solch einen Vorwurf mache, sei zu klären gewesen, ob Öffentlichkeitsarbeit zu den Kernaufgaben der Gleichstellungsbeauftragten gehöre, so die Richterin, und ob Witzmann an Weisungen des Oberbürgermeisters (OBM) gebunden sei. Zu klären sei aber auch, ob der Gleichstellungsbeauftragten ein besonderer Kündigungsschutz, ähnlich dem eines Betriebsrates, zustehe; ebenso müsse geprüft werden, ob die Stadt das Recht hatte, Witzmanns E-Mails nach belastendem Material zu durchforsten. 


220.000 Euro Steuergeld für eine Bestätigung

Antworten auf diese „Aufgaben“ soll es dann in der nächsten Sitzung des Arbeitsgerichtes Erfurt geben, die erst nach der Kommunalwahl stattfinden wird. Ob dann auch ein Urteil ergeht, ist noch offen. Zweifel an der fristlosen Kündigung der Gleichstellungsbeauftragten hatte es aber schon nach der nichtöffentlichen Sitzung des Erfurter Stadtrates im Februar dieses Jahres gegeben. Dort waren Gutachten vorgestellt worden, die die Vorwürfe der sexuellen Belästigung durch Mitarbeiter des Theaters sowie des Machtmissbrauchs nicht nur bestätigten, sondern eher noch verstärkten. Diese Gutachten haben die Stadt bislang 220.000 Euro gekostet.

Witzmann habe den Stein doch erst ins Rollen gebracht und so eine Aufklärung überhaupt möglich gemacht, hieß es von Abgeordneten des Stadtrates damals. Nach dieser Sitzung sprach dann auch OBM Andreas Bausewein von „barocker Führungskultur“ am Theater Erfurt unter Guy Montavon. Das zitierten Schweizer Zeitungen ausführlich, nachdem Montavon eine geplante Inszenierung am Theater St. Gallen niedergelegt hatte.

Den Posten der Gleichstellungsbeauftragten hat die Stadt schon Ende Dezember 2023 wieder kommissarisch mit Carola Hettstedt besetzt. „Damit ist das Büro wieder besetzt und die anfallenden Aufgaben können ordnungsgemäß erledigt werden.“ Zuerst müsse der Ausgang des Gerichtsverfahrens um die Entlassung der vorherigen Amtsinhaberin abgewartet werden, teilt Bausewein in kühlem Amtsdeutsch auf der Website der Stadt mit, eine mögliche Neubesetzung solle über eine öffentliche Ausschreibung erfolgen.

Ein Bild sagt mehr als tausend Worte: Oberbürgermeister Andreas Bausewein nimmt von Utta Meyer, einer Chorsängerin des Theaters Erfurt, 1.200 Unterschriften für Mary-Ellen Witzmann entgegen © Frank Karmeyer / Funke Medien Thüringen

Gegen diesen Rauswurf und eine Neubesetzung der Stelle aber mehren sich nun die Solidaritätsbekundungen. 1.200 Menschen haben eine Petition (print und online) unterschrieben, mit der die Wiedereinstellung von Mary-Ellen Witzmann gefordert wird. Deren Kündigung durch die Stadt Erfurt nennt Gabi Ohler „absurd“. Sie ist die Gleichstellungsbeauftragte des Freistaates Thüringen und war bei der Gerichtsverhandlung anwesend. „Zunächst hätte die ausgesprochene Beurlaubung gegolten, bis die Vorgänge aufgearbeitet sind. Wenn man der Meinung ist, dass jemand Fehler gemacht hat, redet man miteinander, und es gibt maximal eine Abmahnung“, widerspricht sie dem Vorgehen der Stadt. Außerdem habe man „Guy Montavon zugebilligt, dass er Zeit bekam, sich zu verteidigen, Witzmann dagegen nicht“. Montavon sei beurlaubt, erhalte aber weiter „sehr hohe Bezüge“, die Gekündigte dagegen habe keine Einkünfte. 

Laut Website des MDR bezieht Witzmann, nach drei Monaten ohne Einkommen, derzeit Sozialbezüge. Ganz konkret ist da die Unterstützung durch den Bundesverband aller Gleichstellungsbeauftragten: Man hat eine Spendensammlung für eine verwaltungsrechtliche Klage gestartet, die auf die Verhandlung vor dem Arbeitsgericht folgen könnte. Diese Klage würde sich dann gegen der Verwaltungsakt der Behörde richten, die die fristlose Kündigung ausgesprochen hat. „Es ist erschreckend, wenn ich mir angucke, dass die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt, die das Ganze ins Rollen gebracht hat, die härtesten Konsequenzen zu tragen hat“, sagt Katrin Brüninghold, Juristin, Sprecherin des Bundesverbandes und Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Hattingen (Nordrhein-Westfalen).

Und auch sie ist erstaunt, „dass der Intendant mit einer Freistellung und jetzt einem eventuell entstehenden Aufhebungsvertrag sehr viel weicher fällt als das bei Frau Witzmann der Fall ist“.
 

Wir danken Funke Medien Thüringen für die Erlaubnis, deren Fotos in diesem Artikel nutzen zu dürfen.

Quellen: Thüringische Landeszeitung, Thüringer Allgemeine, MDR


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