Staatsoper Unter den Linden

Die Abgründe der Zaren

Mussorgskis «Chowanschtschina» in der Inszenierung von Claus Guth und mit Simone Young am Pult der Staatskapelle Berlin spiegelt werkgetreu die Sehnsucht nach einer starken Hand wider

Roberto Becker • 05. Juni 2024

Ein Blick in die Geschichte Russlands: Chaos und Machtkämpfe, Skrupellosigkeit und Fanatismus des Glaubens © Monika Rittershaus

Bei Modest Mussorgskis fünfaktigem Volksdrama «Chowanschtschina» wird der Blick in die Geschichte seines Landes zu einem Blick in den Abgrund. Zu sehen sind dort Chaos und Machtkämpfe, Skrupellosigkeit und Fanatismus des Glaubens und eine Sehnsucht nach einer starken Hand. Was man in diesem Falle hörend fühlt, gehört zum Selbstverständnis, zur vorhandenen oder propagierten nationalen Identität. Mit seinem „Was ihr den Geist der Zeiten heißt, das ist im Grund der Herren eigner Geist“ hat Goethes Faust die gängige Geschichtsschreibung wohl treffend erfasst. Auch Mussorgskis seltsam ungeordnetes, eigentlich unopernhaftes Szenensammelsurium, mit dem er seinen Komponisten- und Lib…