Zubin Mehta

Glamouröser Pultstar, Kosmopolit und Alleskönner

Am 29. April begeht der Weltstar seinen 85. Geburtstag

Dieter David Scholz • 25. April 2021

Zubin Mehta © Joe Malina

Die Musik von Richard Wagner schätzte der im ehemaligen Bombay, dem heutigen Mumbai, gebürtige Dirigent Zubin Mehta besonders. Schon als Kind kam er mit Wagner in Kontakt, denn sein Vater (ein Wagnerfan) war der Gründer des Bombay Symphony Orchestra. Als er selbst Dirigent geworden war, hat Zubin Metha in der ganzen Welt spektakuläre Wagneraufführungen dirigiert. In New York, London und München, aber auch in Florenz, wo der indische Maestro seit 1985 Leiter des berühmten Festivals Maggio Musicale war und bis heute als graue Eminenz des Musik- und Opernlebens in der Toskana und weit darüber hinaus verehrt und geschätzt wird.

Von 1998 bis 2006 war Mehta Generalmusikdirektor der Bayerischen Staatsoper München. Zubin Mehta ist Träger des Nikisch-Rings, der ihm von Karl Böhm vererbt wurde. Er ist Ehrenbürger von Florenz und Tel Aviv und Ehrenmitglied der Wiener Staatsoper, der Bayerischen Staatsoper und der Gesellschaft der Musikfreunde Wien. Den Titel eines Ehrendirigenten verliehen ihm die Wiener Philharmoniker, die Münchner Philharmoniker, Los Angeles Philharmonic, das Teatro del Maggio Musicale Fiorentino, das Bayerische Staatsorchester und die Staatskapelle Berlin. 2008 wurde er in Japan mit dem Praemium Imperiale ausgezeichnet, 2012 mit dem Großen Bundesverdienstkreuz.

Mehta ist – obwohl er in der ersten Riege der internationalen Pultstars rangiert, alles andere als ein unpolitischer Musiker. Obwohl er Wagner skeptisch sieht, gehört er zu seinen Lieblingskomponisten: „Ich habe außer «Parsifal» alles von Wagner gemacht. Wagner liegt mir sehr. Ich bin mit ihm politisch überhaupt nicht einverstanden, aber seine Musik spricht zu mir. Was soll ich tun? Ich habe ein Problem.“  

Problembewusstsein, politische Wachsamkeit und Charakterstärke hatte der Parse Zubin Mehta schon früh entwickelt, denn er war durch seine Familie in die zoroastrische Religion, eine Minderheit in Indien, hineingewachsen. Wenn er etwas hasst, ist es Nationalismus, Fanatismus und Rassismus: „Das ist für mich nicht akzeptabel. Und ich sage das nicht nur in Sachen Deutsche und Juden. In Indien gibt es auch religiöse Ausgrenzung und Unterdrückung. Ich bin zwar nicht das Ziel, denn meine Leute sind beliebt bei Hindus und Moslems. Aber es gibt manche Hindus und manche Muslime, die sich einfach hassen, weil sie überhaupt existieren. Und das ist nicht akzeptabel. So bin ich aufgewachsen. Mit dieser Mentalität. Deswegen: Warum soll ich das in Europa akzeptieren?“ 

Zubin Metha war ein musikalisches Wunderkind. Im Alter von sieben Jahren erhielt er bereits Geigen- und Klavierunterricht. Mit 16 dirigierte er erstmals. Er studierte an der Wiener Musikakademie. Mit 18 gewann den Internationalen Dirigentenwettbewerb von Liverpool und wurde dort stellvertretender Kapellmeister. Er war, was man einen Shootingstar nennt. Mit zwanzig kam er zu den New Yorker Philharmonikern, als Mittzwanziger dirigierte er zum ersten Mal die Wiener und die Berliner Philharmoniker. 177 Konzerte, 74 Programme und 58 gemeinsame Jahre – Zubin Mehta und die Berliner Philharmoniker können auf eine lange künstlerische Freundschaft zurückblicken. „Ich habe mittlerweile die Ehre, drei Musikergenerationen von Berliner Philharmonikern dirigiert zu haben.“

Zubin Mehta dirigierte fünfmal das Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker © Terry Linke

Er eroberte alle großen Orchester der Welt im Sturm und wechselte von einer prominenten Leitungsposition zur nächsten. Einem Orchester blieb er allerdings seit 1961 eng verbunden, dem Israel Philharmonic Orchestra. 2019 feierte er sein 50-jähriges Jubiläum beim Israel Philharmonic Orchestra: 1969 wurde er musikalischer Berater des Orchesters, 1977 Chefdirigent, und vier Jahre später ernannte ihn das Orchester zum Musikdirektor auf Lebenszeit. Zubin Mehta hat über 3000 Konzerte auf fünf Kontinenten mit diesem Orchester dirigiert. 

„Ich bin ein Inder. Ich habe keinen Grund, mit Israel besonders freundlich zu sein. Unsere wunderbare Zusammenarbeit ist entstanden und über Jahre gewachsen. Ich schätze vor allem, dass Israel eigentlich die einzige wirkliche Demokratie in dieser Gegend ist. Ich kann dort jederzeit meine Meinung sagen. Das ist mir wichtig.“

Zubin Mehta ist einer der glamourösesten, handwerklich perfektesten und vielseitigsten Pultstars im internationalen Musikbusiness. Dass er mit Auszeichnungen und Ehren überhäuft wurde, lag aber nicht nur daran, dass er als Kapellmeister Genauigkeit mit Eleganz und Temperament zu vereinbaren weiß wie nur wenige andere. Er ist der vielleicht meinungsfreudigste, politisch korrekteste und kosmopolitischste unter den großen Dirigenten von Weltrang. Die Vereinten Nationen verliehen ihm 1999 den renommierten Preis für Frieden und Toleranz. 

Künstlerisch ist Mehta äußerst vielseitig – von der Wiener Klassik bis zur Musik des 20. Jahrhunderts reicht sein Repertoire. Er dirigiert, ob in Mailand, Neapel, London, Berlin und New York Opern genauso passioniert wie Konzerte, in exklusiven Veranstaltungen für die betuchte Klientel, aber auch Open Air für die Massen und kostenlos: „Das Dirigieren ist Kommunikation. Wir müssen die Musik, unsere Kunst, unters Volk bringen.“ – Das kann er! Gemeinsam mit seinem Bruder Zarin hat Zubin Mehta in Bombay die Mehli Mehta Music Foundation gegründet, die Kinder an die klassische westliche Musik heranführt. Die von ihm initiierte Buchmann-Mehta School of Music in Tel Aviv fördert die begabtesten Musikstudenten des Landes.

Darüber hinaus ist er charmant, hat Charisma und beherrscht sein Handwerk wie nur wenige. Er hat es in seinem Studium bei Hans Swarowsky an der Wiener Musikakademie gelernt. Swarowsky hat auch Claudio Abbado und Giuseppe Sinopoli ausgebildet. 

Zubin Mehta hatte in Wien Gelegenheit, Dirigenten wie Bruno Walter, Herbert von Karajan oder Karl Böhm bei der Arbeit beobachten zu können. Er schloss Freundschaften mit Daniel Barenboim und Claudio Abbado, die, wie er, damals zu den aufstrebenden Talenten zählten. Die Zeit in Wien war wohl für Mehta als eine der wichtigsten Phasen seines Lebens, denn er konnte dort ein berufliches und menschliches Netzwerk knüpfen, das für den späteren künstlerischen Erfolg entscheidend wurde. Schon damals wurden die Weichen Richtung Berlin gestellt: So wurde Herbert von Karajan, der damalige Chefdirigent der Berliner Philharmoniker, sein Mentor. Von Swarowsky hat Zubin Mehta das Entscheidende für seinen Beruf gelernt: „Musikalische Disziplin, Werktreue und den unglaublichsten Sinn für Tempo.“


Die Zitate stammen aus einem Buch des Autors: „Mythos Maestro“, Parthas Verlag (2002)