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Der Ruf nach einer kräftigen Stimme für die Oper - ein Zeitdokument

Der Opernfilm «Hochzeit mit Figaro ohne Gäste» der Oper Köln gibt Einblick in die Arbeit hinter den Kulissen in Pandemiezeiten

Stephan Burianek • 15. April 2021

Kathrin Zukowski (Susanna) beim Filmdreh © Paul Leclaire

Die Ungleichheiten zwischen jenen, die es sich richten können und jenen, denen der Weg nach oben verwehrt ist, bilden in Mozarts «Hochzeit des Figaro» ein zeitloses Kernthema. Georg Kehren, Chefdramaturg der Oper Köln, sieht dieses gesellschaftliche Phänomen in der aktuellen Pandemie-Gegenwart gespiegelt: „Wer sind die, die um ihre Würde und um ihr Recht zu arbeiten kämpfen, um ihre Schulden bezahlen zu können, und wer sind die, die im Schlaf dazugewinnen?“ – Der von der Oper Köln höchst professionell produzierte Opernfilm «Hochzeit mit Figaro ohne Gäste» zeigt uns Menschen, die ihre Würde wiedererlangt haben und die ihre Arbeitsprozesse auf zuvor undenkbare Weise umgestellt haben, um das machen zu dürfen, wofür sie in normalen Zeiten gefeiert werden.

Zu den vielen – durch stets neue behördliche Verordnungen vereitelten – Versuchen, Oper vor Publikum wieder möglich zu machen, zählte auch das Vorhaben der Oper Köln, am 1. April dieses Jahres «Hochzeit des Figaro» in einer neuen, pandemiekonformen Weise auf die Bühne zu bringen. Die Regieassistentin Charlotte Wulff wurde beauftragt, das Werk auf Basis einer Regiearbeit von Emmanuelle Bastet aus dem Jahr 2017 gemäß der pandemisch bedingten Vorgaben szenisch zu adaptieren und einzustudieren. 

Auch Vorderhaus-Manager Pascal-Claude Rimmele kommt zu Wort © Paul Leclaire

Die Probenarbeiten wurden von einem Bonner Filmteam unter der Leitung von Sandra van Slooten begleitet. Das Ergebnis ist ein sehenswertes und sicherlich auch für andere Häuser in Europa stellvertretend-gültiges Zeitdokument, das informative Einblicke in die teils Kreativität erfordernde Umsetzung der Sicherheitskonzepte auf und hinter der Bühne liefert. Neben den Künstler*innen schildern auch Menschen, die dem Publikum üblicherweise verborgen bleiben, die erforderlichen Umstellungen in ihren Arbeitsprozessen. Wir erfahren beispielsweise, dass die Hygienevorschriften mehr Kostüme und Notenpulte erfordern, dass neben dem Künstlerischen Betriebsbüro ein Schnelltestzentrum eingerichtet wurde, und dass der Mangel an Akrylglas die Haustechnik zu Beginn der Pandemie vor gewisse Herausforderungen gestellt hat. Künstler*innen beschreiben die Probleme, die das Fehlen der physischen Nähe zu ihren Kolleg*innen aus künstlerischer Sicht verursachen.

Aber lässt sich eine dramatisch so dichte Handlung wie jene in «Die Hochzeit des Figaro» mit den geltenden Abstandsregeln, die im Film detailliert erklärt werden, glaubhaft realisieren? Das können wir anhand des gezeigten Probenmaterials freilich nur erahnen. Als sicher scheint aber, dass die Beteiligten alles gegeben haben. Die Produktion wurde jedenfalls eingefroren und soll gezeigt werden sobald wieder Publikum ins Staatenhaus hineingelassen werden darf.

Natürlich kommt auch die Intendantin Birgit Meyer zu Wort: Es habe sie im vergangenen Jahr erschrocken, wie leise der allgemeine Aufschrei war, als es um die Notwendigkeit der Theater zu spielen ging und „wie wenig wir eine Stimme haben.“ – Das finden wir auch – deshalb hat OPERN∙NEWS bekanntlich die OPERNLOBBY ins Leben gerufen.


Link zum Stream (freiwilliger Betrag erbeten): 
www.oper.koeln/de/programm/hochzeit-mit-figaro-ohne-gaste/5579