Kalchschmids Albenpanorama

11/2024

Frisch erschienen: Schubert-Lieder mit Philippe Jaroussky, Weihnachtslieder mit dem Windsbacher Knabenchor und Puccini-Duette mit Jonas Kaufmann

Klaus Kalchschmid • 18. November 2024

Mit seiner so charakteristisch hell schimmernden Stimme, die immer mehr an Reife und Volumen gewinnt, wagt der Countertenor Philippe Jaroussky nach „Opium“ mit französischen Mélodies nun ein reines Schubert-Album, in dem er ganz andere Farben zeigen kann als im Barock-Repertoire. Schon der Beginn offenbart mit dem Kontrast der schwebenden „Litanei auf das Fest aller Seelen“ und dem bewegten „Herbst“ einen ganz eigenen Zauber. Eher karge Lieder wie „Wiedersehen“ oder „Des Fischers Liebesglück“ kontrastieren mit dem weitgespannten „Du bist die Ruh“ und seinem wunderbar gesetzten hohen Ton. Dann folgt ein Block bekannter Lieder („Die Forelle“, „Im Frühling“, „Lied der Mignon“, „An die Musik“, „Der Musensohn“, „Erster Verlust, „An Silvia“), gekrönt mit dem ätherischen „Nacht und Träume“, dem Jaroussky zarteste Farben verleiht. Lebhaftes wie „Der Musensohn“ wechselt mit Melancholischem wie „Erster Verlust“ oder „Im Abendrot“, das Jarousskys silbern vibrierender Stimme noch mehr entspricht. Die letzten fünf Lieder gehören dann ganz der Nacht, den Sternen und Maria. Allesamt klingen sie balsamisch, man höre nur das „Ave Maria“ oder „Nachtstück“, das dieses Album beschließt. Jérôme Ducros ist am Flügel weit mehr als ein verlässlicher Begleiter, sondern lebhaft mitgestaltender Pianist. (Erato)

    
Weihnachtsalben können schnell kitschig werden, oder die Lieder verlieren unter modernen Bearbeitungen ihre Aura. Nicht so beim Windsbacher Knabenchor, der in 21 Tracks zusammen mit dem Originalorchester Lautten Compagney Berlin eine schöne, raffinierte Mischung bietet aus traditionellen deutschen und internationalen Weihnachtsliedern wie dem baskischen „The Angel Gabriel from haven came“, dem sehr alten kanadischen „Huron Carol“ oder dem modernen „La Peregrinación“ aus Argentinien. Mal werden die Lieder a cappella gesungen, mal mit zarter Instrumentalbegleitung, mal sind sie rein instrumental („Wie schön leuchtet der Morgenstern“). „Macht hoch die Tür“ bekommt da etwa gleich dreifache instrumentale Einbettung, „In dulci jubilo“ oder „Stille Nacht“ bleiben ganz unbegleitet, ebenso wie der Satz eines „Glorias“ von Robert Volkmann aus dem 19. Jahrhundert. „Ich steh an Deiner Krippen hier“ wird solistisch und im Chor gegeben, aber strophenweise auch rein instrumental dargeboten und immer mit einer bestechenden Reinheit und Schönheit des Klangs und der Artikulation, wie wir sie von den Jungs und jungen Männer des Windsbacher Knabenchors unter Leitung von Ludwig Böhme kennen. Auch die Stil- und Geschmackssicherheit der Lauten Compagney ist bemerkenswert und adelt dieses Weihnachtslieder-Album. (Sony)
 

Die Idee ist schön, einmal unter dem Titel „Love Affairs“ kein Recital mit Puccini-Arien aufzunehmen, sondern die teils ebenso berühmten Duette. In der direkten Gegenüberstellung bilden sie den charakteristischen Stil der einzelnen Opern ab. Mimís (Pretty Yende) und Rodolfos zarter Beginn einer großen Liebe klingt viel keuscher als die Eifersuchts-Szene, mit der Tosca (Sonya Yoncheva) Cavaradossi nervt und vom Malen abhält oder das große Hochzeitsnacht-Liebesduett der Butterfly (Maria Agresta) mit Pinkerton. «La Fanciulla del West» hat wieder eine ganz andere „tinta“, wie Verdi sagen würde, mit der eine zarte Annäherung beschrieben wird zwischen Minnie (Malin Byström), einziger Frau unter lauter Goldgräbern und einem gesuchten Verbrecher.

Bemerkenswert ist auch, dass Anna Netrebko von Kaufmann eingeladen wurde, auf diesem Album mitzuwirken. Mir ihr interpretiert er die wieder aufflammende Leidenschaft zwischen Des Grieuxs und der reich gewordenen Manon. Düster glühend dann das verdruckste, schließlich leidenschaftlich aufbrechende Duett der heimlich sich Liebenden Luigi und Giorgetta aus «Il tabarro». Dank Asmik Grigorian und eines ausgeruhten Jonas Kaufmann wird dieses Duett der Höhepunkt der CD. Denn jenseits der Programmierung bleiben ein paar Wünsche offen, etwa dass Kaufmann seine Höhe vielfach so dämpfen und deckeln muss, war im Livekonzert von zwei Wochen nicht so deutlich zu hören. Darunter leidet dann die charakteristische musikalische Gestaltung und die stimmliche Mischung mit der jeweiligen Partnerin. Dass es immer klingt, als würden die Sänger nicht vor, sondern im Orchestra del Teatro Comuna di Bologna unter Leitung von Asher Fisch singen, macht das Ganze etwas diffus und nimmt ihm die Theatralik. Vorbildlich ist das „Jewel Case“ mit 100 Seiten Booklet und viersprachigem Abdruck des Textes. (Sony)