Kalchschmids Albenpanorama
03/2025
Eine Lully-Oper und zwei Liederalben beinhalten selten Gehörtes und eine Wiederentdeckung der besonderen Art
Klaus Kalchschmid • 12. März 2025
Jean-Baptiste Lullys 1674 in Versailles uraufgeführte «Alceste ou le triomphe d‘Alcide» ist erst seine zweite Tragédie lyrique und stand fast einhundert Jahre immer wieder auf dem Spielplan, bis sie von Christoph Willibald Glucks «Alceste» abgelöst wurde. Seit 1975 gibt es mehrere Aufnahmen dieses Werks, zuletzt 2017 eine hervorragende mit Les Talens lyriques unter Christophe Rousset. Jetzt ist eine farbige Neueinspielung unter Stéphane Fuget, der Les Épopées und den Choeur de l’Opéra Royal dirigiert, beim Label Château de Versailles Spectacles erschienen.
Zur Handlung, die von der Vorlage, der „Alkestis“ von Euripides, stark abweicht: König Admète feiert Hochzeit mit Prinzessin Alceste. Alcide und Licomède lieben Alceste ebenfalls und sind neidisch. Licomèdes Freund Straton wiederum ist unglücklich in Alcestes Freundin Céphise verliebt, die ihn für Alcides Freund Lychas verlassen hat. Licomède und Straton entführen die beiden Frauen. Straton wird der Gefangene von Lychas, und die Frauen erhalten ihre Freiheit. Der im Kampf tödlich verletzte Admète kann nur gerettet werden, wenn sich jemand an seiner Stelle das Leben nimmt. Weil jedoch keiner dazu bereit ist, ersticht sich Alceste. Admète will ihr nachfolgen, da verkündet Alcide, er werde Alceste wieder lebendig machen, verlangt dafür jedoch, dass Admète auf sie verzichtet. Seine große Zuneigung überzeugt Pluto und dessen Frau Proserpina in der Unterwelt, Alceste wieder ziehen zu lassen. Admète verabschiedet sich von ihr. Davon ist Alcide so eingenommen, dass er das Paar erneut vereint.
Neben beeindruckend komponiertem Kriegslärm im dritten Akt – vor allem in den instrumentalen Teilen – besticht nicht zuletzt die Unterwelt-Szene des vierten Akts. Außer einer Reihe hervorragender junger Sängerinnen und Sänger, darunter Bassbariton Guilhem Worms, sind die Sopranistin Véronique Gens (Alceste) und der feine Haut-Contre Cyril Auvity als ihr Gatte Admète zu erleben. Die dritte Hauptpartie singt der profunde Bassbariton Nathan Berg als Alcide. (Château de Versailles Spectacle)
Schubert, Brahms und Frank Martin verbinden sich auf „Echoes of Eternity“ von Bassbariton Milan Siljanov und seiner hervorragenden Pianistin Nino Chokhonelidze zu einem tiefernsten Programm. Schon die Schubert-Auswahl („Am Bach im Frühling“, „Auf der Donau“, „Der Schiffer“, „Der Wanderer an den Mond“, „Fahrt zum Hades“ und „Gruppe aus dem Tartarus“) bildet eine mit viel Sinn für das Detail vorgetragene Einheit, bevor «Vier ernste Gesänge» von Johannes Brahms bei Siljanov in ihrem düsteren musikalischen Beziehungsreichtum subtil ausgelotet werden wie auch die Sechs Monologe aus „Jedermann“ – raffinierte Studien nach Hugo von Hofmannsthals berühmtem Stück, das alljährlich Massen auf den Salzburger Domplatz zieht. Dagegen sind diese Monologe ebenso intime wie querständige Gesänge, deren Gesangspart ganz unabhängig vom Klaviersatz komponiert ist. Dass dieser immer noch selten im Konzertsaal zu hörende Zyklus des Schweizers Martin dem geborenen Schweizer Siljanov ein besonderes Anliegen ist, hört man in jeder Phrase und in jedem einzelnen Ton. (Prospero)
Wiederentdeckungen der besonderen Art finden sich auf einem Album mit dem Titel „Be still my heart“ von Bassbariton Christian Immler und Pianist Helmut Deutsch mit einer Auswahl der Lieder von Robert Gund (1865-1927), der im Wiener Musikleben der Jahrhundertwende keine geringe Rolle einnahm: Mit Brahms spielte er dessen Liebesliederwalzer, war der Lehrer Alma Mahlers und Archivar des von Arnold Schönberg gegründeten Tonkünstlervereins. Seine Lieder wurden früh schon von renommierten Verlagen angenommen. Stilistisch zwischen Brahms und Wolf angesiedelt, ist keines der 20 atmosphärisch dichten Lieder nach Texten von Nikolaus Lenau, Eduard Mörike, Theodor Storm, Eichendorff und Rilke (unter anderen) eklektisch. Dabei ist der plastische, originelle Klaviersatz mit der Singstimme raffiniert verwoben. Spannend ist auch der Vergleich einzelner Lieder mit bekannten Vertonungen, etwa von Schumann. Kontrastierend dazu sind die vier an den frühen Alban Berg gemahnenden „Lieder der Sehnsucht“ (1926) und fünf „Lieder an die Geliebte“ (1924) des eine Generation jüngeren Wilhelm Grosz (1894-1939). Zum Abschluss gibt es noch vier in den USA komponierte geschmeidige Songs des 1939 nach New York emigrierten jüdischen Komponisten, allesamt wie die meisten Lieder dieses Albums Ersteinspielungen. Christian Immler moduliert hervorragend textverständlich jedes einzelne Lied in seinem oft großen Umfang plastisch und Helmut Deutsch widmet sich dem jeweiligen Klaviersatz hervorragend und mit vielen Nuancen. (Alpha)