Kalchschmids Albenpanorama
05/2025
Neuerscheinungen im Mai: Zwei Opern-Einspielungen und ein Portrait-Album liefern Sopranistenglanz und Leidenschaften
Klaus Kalchschmid • 18. Mai 2025
Giacomo Puccinis Erstling «Le Villi», eine ursprünglich einaktige „Opera ballo“, in der viel getanzt wird, wurde 1884 uraufgeführt und war laut Komponist ein „riesiger Erfolg“. Erst in der zweiaktigen Fassung gibt es die schon ganz puccineske Arie „Se come voi piccina io fossi“ mit ihrem Refrain „Non ti scordar di me“ (Vergissmeinnicht), was Anna durch ein Sträußchen der gleichnamigen Blumen ihrem Bräutigam ans Herz und in den Koffer legt. Doch genau das tut Roberto nicht, führt ein ausschweifendes Leben in der Ferne, was seine Verlobte zu einer geisterhaften Willis machte, einer Untoten, die ihn zu einem derart wilden Tanz auffordert, dass er tot zusammenbricht. Puccini schildert das anschaulich, kann aber über die dramaturgischen Schwächen kaum hinwegkomponieren. Anita Hartig verleiht der Anna schönen Sopranglanz, Kang Wang ist ein leidenschaftlich tenoral glänzender Roberto und Boris Pinkhasovich ein verlässlicher Bariton als Vater Annas. Exzellent auch der Chor des Bayerischen Rundfunks und das Münchner Rundfunkorchester unter Ivan Repušić. (BR Klassik)
Referenzeinspielungen von Leoš Janáčeks «Jenufa» gibt es einige, wie die unter Mackerras mit Eisabeth Söderström, doch der Livemitschnitt vom Januar 2024 im Londoner Barbican unter Sir Simon Rattle mit dem London Symphony Orchestra und exzellenten Solisten kann da in der oberen Liga mitmischen. Unter Rattle hält das Orchester in jedem Moment die Spannung, Folkloristisches rauscht wunderbar auf und auch ansonsten spannt sich bei großer Detailgenauigkeit immer der große Bogen. Jenufa wird von Agneta Eichenholz mit leidenschaftlichem Sopran verkörpert, der alle Facetten der Partie auskosten kann. Sie ist das Zentrum der Oper, kann wunderbar warm singen, etwa wenn sie ganz am Ende ihrer Ziehmutter, der Küsterin verzieht, dass sie ihr kleines Kind umgebracht hat, um die Ehre Jenufas nicht zu beschmutzen. Diese Küsterin ist bei Katarina Karnéus endlich einmal keine Ex-Hochdramatische, sondern Verkörperung einer Frau, die das Leben hart gemacht hat und doch einen weichen Kern hat. Auch die Männerrollen mit den beiden Halbbrüdern sind mit den Tenören Nicky Spence und Aleš Briscein überzeugend besetzt. Hier der verantwortungslose Luftikus Števa, der nicht zu seinem Kind mit Jenufa stehen will, dort Laca der mit einem Messer Jenufa, die er liebt, verunstaltet, am Ende aber doch mit ihr ein Paar wird, was das Orchester am Ende selbstverloren feiert. (LSO live)
Vom Cover sollte man sich nicht verführen lassen, das Album „Par amour“ von Vannina Santoni für unseriös zu halten. Denn so populär mit zwei Ausnahmen zu Beginn und ganz am Ende (von Franco Alfano und Henri Thomas) die Auswahl auch ist, so stimmig ist doch der Gesamteindruck, so ausdrucksvoll und stilsicher ist jede Arie, nebst einem großen Duett aus «Manon» gesungen: Ob Catalanis Wally („Ebben? Ne andrò lontano“) Gounods «Roméo et Juliette», Massenets «Manon» und «Thaïs» oder Puccini („O mio babbino caro“ und die berühmte Arie aus dem Erstling «Le Villi»). Herausragend nicht nur wegen der Länge von 17 Minuten ist die große Szene der ihren Tod vorausahnenden Desdemona, ein Großteil des vierten Akts von Verdis «Otello». Diese Szene sprengt den Rahmen dieses Albums beinahe und zeigt einmal mehr, dass Santoni mit ihrem großen Lirico-spinto-Sopran, der nicht nur in der Höhe fein ausschwingen kann, mehr ist als eine Stimmbesitzerin. Zutiefst rührend, wieviel Trauer da in jedem Ton mitschwingt. Ganz anders die Lebenslust Juliettes oder das feine „O mio babbino caro“ und die Vielschichtigkeit von Massenets Manon. Das Orchestre national de Lille agiert unter Jean-Marie Zeitouni subtil theatralisch und farbig, nicht zuletzt in den beiden instrumentalen Vor- und Zwischenspielen. (Alpha)