Universität Mozarteum Salzburg

Caravaggios Gemälde

Studierende der Uni Mozarteum überzeugen bei der Uraufführung von Yann Robins Oper «Medusa», die den Rahmen für Alessandro Scarlattis «Giuditta» bildet

Klaus Kalchschmid • 16. Juni 2025

Anastasia Fedorenko (sitzend), Sveva Pia Laterza (liegend), Yonah Raupers und Anna-Maria Husca bilden ein überzeugendes Ensemble © Wolf Silveri

Der Kontrast könnte nicht größer sein: hier das moderne Instrumentarium von heute mit Flöte, Klarinette, Horn, Bratsche, Cello, Kontrabass, Harfe, Percussion und Klavier (Ensemble für zeitgenössische Musik der Universität Mozarteum), dort das Barockorchester des Mozarteums; hier der „Gesang“ des Malers Caravaggios, der von Sprechen, Röcheln, Atemstörungen durchsetzt ist (sehr prägnant: Dominik Schumertl in allen Variationen des Singens und Sprechens), dort die Frau, sein Modell (Sveva Pia Laterza): ruhiger, in größeren Linien singend, aber auch noch über den düsteren Farben des ersten Teils, bevor wir mit Giuditta in barocke Gefilde eintreten. 

Der Abend im Max Schlereth Saal der Universität Mozarteum beginnt ganz abstrakt mit langsam fließenden Vorhängen, die Räume erschaffen, die sich kippen lassen, erweitern oder zusammenziehen, kommen und wieder verschwinden, bevor sich der Maler Caravaggio mit seinen Modellen manifestiert und im Dialog mit einem Modell seinen Schaffensprozess wortreich und sehr eloquent kommentiert. Das Modell wiederum erklärt den Mythos von Medusa als von Poseidon verführter Priesterin, die Athene verflucht: „Dein Anblick soll fortan tödlich sein! Medusas Haupt schmerzte unvermittelt mit solcher Gewalt, dass ihm Schlangen entwuchsen, züngelnd, zischend zum vielstimmigen Chor. Ihre Augen glühten fremdartig, unheilvoll, todbringend. So fand sie der vermeintliche Held mit List, Spiegelschild und Schwert, schlug zu und ergriff das schlangenumkränzte Haupt zum blut‘gen Pfand, den eig’nen Ruhm und das Entsetzen in der Welt zu mehren.“

Das gestreifte Licht, das sich auf alles legt, alles umschließt, mehr verschleiert als offenbart, soll den Pinselstrich Caravaggios symbolisieren. Wir sehen aber immer nur leere, durchsichtige Leinwände, die im Raum zu schweben scheinen (Raum/Video/Licht: Conny Zenk). 

Hauptstück des knapp zweistündigen, pausenlosen Abends sind das Oratorium «Giuditta» (Judith) von Alessandro Scarlatti und die Schaffung des Gemäldes „Giuditta e Oloferne“ (Judith und Holofernes), auch wenn die rahmenden «Mendusa»-Teile großes Gewicht haben, denn Medusa ist hier die Frau, der einst Gewalt angetan wurde, wie von Judith ebensolche ausgeht, auch wenn sie lange zögert und die Tat erst ganz allmählich von ihr Besitz ergreift. Das Modell für die spätere Judith, sein Lieblingsmodell Fillide Melandroni (Sveva Pia Laterza), konfrontiert den Maler zu Beginn mit dem Schicksal der Medusa, die „Priesterin, eine reine Schönheit“ war, bevor Caravaggio sie dämonisierte, sich selbst in ihr, die auf ein Schild gemalt ist, gespiegelt sieht und am Ende des ersten Teils erneut zur Arbeit ruft: „Al lavoro!“

Viele wunderschöne, manchmal auch erotische Arien braucht es in Alessandro Scarlattis Oratorium «La Giuditta a 3», also „Judith für drei Stimmen“ mit kleinem Streichorchester, im Gegensatz zu seiner früheren Vertonung der «Giuditta a 5», bis die Verführung vollzogen ist und der Kopf von Holofernes fällt. Ein ganz besonders betörendes Stück wird zum Text „Wer zeigt mir, wo mein Frieden inmitten dieser Waffen ist“ ganz zart fast ohne Begleitung artikuliert. Nach dem Mord wird die ganze Bühne in Rot getaucht, erscheint der Text in Großbuchstaben projiziert, bevor die Klänge des Beginns wiederkehren, moderne, düstere Töne von Yann Robin auf ein Libretto von Elisabeth Gutjahr (in italienischer Übersetzung von Fausto Tuscano).

Judith und Holofernes: Anastasia Fedorenko und Yonah Raupers © Wolf Silveri

Wieder raschelt und wispert es von den Schlangen der Medusa, doch kontrastiert das nunmehr mit dem Angelus Novus (Anastasia Fedorenko), dem Engel der Geschichte von Paul Klee, der vom Sturm und der Gewalt in der Geschichte fast verweht wird. Melancholie macht sich breit und ein letztes Mal wird in der Inszenierung von Florentine Klepper das Publikum von einem Laser gefangen genommen, wird der Raum der Bühne auf ihn zurückgeworfen.

Die Sopranistin Anastasia Fedorenko verkörpert sowohl den Angelus Novus als auch Giuditta mit großer Bühnenpräsenz und subtilem Singen, ganz die zögernde, reflektierende und erst am Ende handelnde Frau, Sveva Pia Laterza ist als Amme mit nicht minder exzellentem Mezzo ihr starkes, die Handlung vorantreibendes Gegenüber, während Yonah Raupers mit kernig tiefem Tenor als Holofernes den ruppigen Feldherrn gibt, der Judiths Spiel von Anfang an durchschaut, sie auf ein Fest einlädt, von ihrer Schönheit und Redegewandtheit bezaubert ist. Doch er lässt sich auf das Spiel mit dem Feuer ein, bis er schließlich hilf- und wehrlos unter Alkoholeinfluss einschläft und zum Opfer wird. Ebenso wie die Sängerinnen und Sänger überzeugen das Ensemble für zeitgenössische Musik unter Kai Röhrig sowie das Barockorchester der Universität Mozarteum unter Leitung von Vittorio Ghielmi.


«Medusa / Giuditta» – Yann Robin / Alessandro Scarlatti
Universität Mozarteum Salzburg · Max Schlereth Saal

Kritik der Aufführung am 14. Juni 
Termine: 16./17. Juni