Kalchschmids Albenpanorama
07/2025
Arien von Mozart, Lieder über den Kreislauf von Tod und Wiedergeburt sowie eine rätselhafte Neudeutung des Daphne-Mythos geben Ohren, Herz und Hirn in diesem Monat neue Nahrung
Klaus Kalchschmid • 18. Juli 2025
Andrè Schuen hat ein faszinierendes Mozart-Album vorgelegt, das nicht nur die einschlägigen Arien für Papageno, Figaro, Graf Almanaviva, Leporello und Don Giovanni enthält, sondern mit Liedern und Konzertarien wunderbare Kontraste und Übergänge schafft, so wenn auf die tiefsinnige „Abendempfindung“ mit Daniel Heide am Flügel die verwandte, ebenfalls späte Arie „Mentre ti lascia, o figlio“ folgt. Auf die nur vom Klavier begleitete „Kleine (Freimaurer-)Kantate“, die mit „Ihr die ihr des unermesslichen Weltalls Schöpfer ehrt“ beginnt, folgt das Duett „Bei Männern, welche Liebe fühlen“. Das Rezitativ des Grafen und die Arie „Hai già vinta la causa!“ erklingt im szenischen Zusammenhang mit dem vorausgehenden Duett mit Susanna (Nikola Hillebrand). Zwei Nummern mit Mandolinen-Begleitung (Avi Avital) folgen ebenso passend aufeinander: „Komm, liebe Zither, komm“ und das Ständchen Giovannis, das als Beginn eines letzten, dem Don Giovanni gewidmeten Block folgt, darin das Duett Là ci darem la mano“, und mit der Champagner-Arie das wunderbare Album rasant beendet. Schuens in jeder Lage klangvolle, flexible Bassbariton mit dem charmanten ladinischen Akzent findet für jede Nummer innerhalb seines so charakteristischen Timbres fein variierende Klänge, ob er nun den naiven Papageno verkörpert oder den wütenden Grafen, den zynischen Leporello in seiner Register-Arie oder das feine lyrische Ich der „Abendempfindung“. Eigentlich überflüssig zu erwähnen, dass das Mozarteumorchester Salzburg unter Roberto González-Monjas der ideale Begleiter ist. (DG)
Kate Lindsey und Éric Le Sage haben ihrem Album mit Schumanns „Frauenliebe und -leben“ und Faurés „La chanson d’Ève“ den Titel „Samsara“ gegeben, im Sanskrit der Begriff für den Kreislauf von Tod und Wiedergeburt, dem alles Leben unterliegt. Das Booklet erzählt auch, dass der Vater der Sängerin zum Zeitpunkt der Aufnahme schwer krank war und kurz danach starb. Die zehn Lieder von Gabriel Faurés „La chanson d’Ève“ von 1906 nach Gedichten des belgischen Symbolisten Charles van Lerberghe schweben harmonisch und melodisch teilweise am Rande der Tonalität und beschreiben nicht nur die Eva des Paradieses mit all ihrem Glanz und ihrem Singen („Prima verba“ – Erste Worte, „Roses ardentes“ – Flammende Rosen), sondern auch Gottes Leuchten („Comme Dieu rayonne“), weißen Morgen- („L‘aube blanche“) und zarten Abenddämmer („Crépuscule“), wie den Fluss von Wasser („Eau vivante“) oder den Duft weißer Rosen. Dem Ende mit dem Wunsch nach dem Tod („Ȏ mort, poussière d’Etoiles - O Tod du Sternenstaub“) folgen noch zwei berühmte Fauré-Lieder („Claire de lune“, „Chanson d’amour“). Robert Schumanns Zyklus nach Gedichten von Adelbert von Chamisso beschreibt einen großen Bogen vom ersten Verliebtsein der schwärmerischen jungen Frau bis zu „Nun hast du mir den ersten Schmerz getan“, wenn der mutmaßliche Vater eines kleinen Kindes offenbar die Mutter verlässt. Höhepunkt an fein verströmter Innigkeit ist dabei das verwunschene „Süßer Freund, du blicktest mich verwundert an“. Eröffnet und beschlossen wird das Album mit Liedern aus Robert Schumanns „Myrthen“ op. 25 („Der Nussbaum“, „Die Lotosblume“ und das zart gehauchte „Du bist wie eine Blume“), einst die Brautgabe Schumanns an seine Frau. Kate Lindseys fein vibrierendem Mezzo gelingt ebenso luzide die zärtliche Euphorie wie das traurige Ende Schumanns, wie sie den zart schimmernden Perlen Faurés eine je eigene Leuchtkraft gibt, die auch Éric le Sages Klavierspiel charakterisiert. (Alpha)
«Like Flesh» ist eine faszinierende, rätselhafte Neudeutung des Daphne-Mythos von Librettistin Cordelia Lynn, in dem eine Frau sich von ihrem Ehemann, dem Förster, nach 40 Ehejahren trennt, sich in eine Studentin verliebt und zu einem Baum wird, an dessen Rinde der Förster am Ende mit seiner Axt Hand anlegt. So kurz und knapp sich die Handlung erzählen lässt, so komplex ist das Ganze. Denn Sivan Eldar hat dafür eine konzise, oft seismografisch dem Text folgende Musik komponiert. Flüsternde Passagen gibt es ebenso wie mystisch aufrauschende. Der Wald singt anfangs und ganz am Ende magisch mit fein schimmerndem, elektronisch überwölbtem Ton, bricht aber auch einmal lautstark aus in ein wildes, immer mehr sich steigerndes, instrumental angereichertes Skandieren einer Vielzahl von Wörtern, das erneut in weißes Rauschen mündet, das auch den Dialog der Studentin mit dem Förster grundiert. Dazu kontrastieren immer wieder die Solostimmen des Kammerorchesters als aufgebrochene Klangflächen. Eine grandiose klangliche Steigerung begleitet die Annäherung von Studentin und Baum, bevor dessen „I love you“ eine fein wispernde Aura bekommt, die wieder in nervöses Flackern mündet. Helene Rasker gibt den Rollen The Woman / The Tree charismatischen Sopran-Glanz, William Dazely singt den differenziert charakterisierten The Forester mit vielschichtigem Bariton und auch Juliette Allen gibt The Student ein feines Farbspektrum. Maxim Pascal sorgt im Livemitschnitt mit dem Orchester der Opéra de Lille für feinste Abstufungen zwischen Elektronik und den elf solistischen Instrumenten. (B-Records / Naxos)