Salzburger Festspiele

Mit Realismus gegen die Magie

Mit nahezu unveränderter, aber teilweise problematischer Besetzung wurde in diesem Sommer Krzysztof Warlikowskis anti-romantische Sicht auf Verdis «Macbeth» wiederaufgenommen

Stephan Burianek • 28. August 2025


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Krzysztof Warlikowski liefert starke, mitunter brutale Bilder: Lady Macbeth (Asmik Grigorian) und ihr Gatte (Vladislav Sulimsky) blicken ihrem Ende entgegen © Ruth Walz

Krzysztof Warlikowskis assoziationsreiche Sicht auf Verdis «Macbeth» zählt wohl zu den größten künstlerischen Erfolgen der sich bereits als ewig anfühlenden Intendanz von Markus Hinterhäuser. In diesem Sommer wurde sie neu aufgenommen, heute steht sie – zumindest für diese Ausgabe – ein letztes Mal auf dem Spielplan.

Die in OPERN·NEWS vor zwei Jahren detailliert besprochene Arbeit hat nichts von ihrer Stärke verloren. Sie liefert wirkungsmächtige, die Breite des Großen Festspielhauses abwechslungsreich bespielende Bilder, etwa sechs Bancos, die sich zum wahnhaften Macbeth an den Esstisch setzen oder Live-Videos, die sich mit Ausschnitten aus italienischen Filmklassikern abwechseln – darunter jene Nahaufnahme, die Macbeth an der öffentlichen Tafel beim Essen einer Suppe zeigen, die aus dem Mund des geistig Entrückten trieft. Ein grauslicher Anblick, den seine Gattin mehrfach wegzuwischen versucht – bevor auf einem Tablett ein totes Baby statt eines Bratens serviert wird. Oder Macbeths Ende im Rollstuhl, nachdem er sich selbst entmannt hat.

An den Solisten hat sich wenig geändert. Die stets umjubelte Asmik Grigorian ist als Lady Macbeth darstellerisch eine Wucht, aber stimmlich immer noch keine vollendete Lady Macbeth, was auch an ihrem hellen, klaren Timbre liegen mag, das in einem eigenartigen Kontrast zu ihrer Figur steht. 


Ein Weißrusse an Putin

Als eine Art russischer Schlägertyp im Anzug wirkt der Macbeth von Vladislav Sulimsky. Der in Weißrussland geborene Bariton punktet mit Stimmkraft und guter Technik, zwingend erscheint seine Besetzung angesichts des eher neutralen Timbres aber nicht. Das ist insofern bemerkenswert, als dass man sein Engagement ebenso wie das beharrliche Festhalten der Festspielleitung an Teodor Currentzis trotz aller Neutralitätsbeteuerungen als politisch verdächtig werten könnte.

Als Macbeth hat Vladislav Sulimsky Blut an den Händen. Auch die Persönlichkeit des Sängers steht in der Kritik © Ruth Walz

Sulimsky, der von seinem Umfeld als überaus freundliche und umgängliche Person beschrieben wird, gilt Ukrainern als Befürworter der russischen Aggression. Das liegt nicht nur an seinen regelmäßigen Engagements in Valery Gergievs Mariinsky-Theater in St. Petersburg, auf dessen Homepage er – ebenso wie u.a. Anna Netrebko – als Ensemblemitglied geführt wird. In einem russischsprachigen Facebook-Posting, das OPERN·NEWS vorliegt, fabulierte er von einem „Genozid“ an 20 Millionen Sowjetbürgern (womit er vermutlich die Kriegstoten im Zweiten Weltkrieg meinte) und forderte Putin – ein Jahr vor dem Beginn der großen russischen Invasion in der Ukraine – zu einer härteren Gangart gegen die (westlichen) Befürworter von Sanktionen auf: „Putin, du gräbst an der falschen Stelle! Siehst du denn nicht, worauf das hinausläuft? Oder glaubst du, dass Baschirow und Petrow das Böse alleine besiegen können?!“ – Es gilt als gesichert, dass die russischen Agenten Alexander Petrow und Ruslan Boschirow im englischen Salisbury den Aufsehen erregenden Mordanschlag auf den vermeintlich übergelaufenen Spion Sergej Skripal und dessen Tochter begangen haben.

Sulimskys Karriere hat das trotz der zusätzlichen Teilnahme an mehreren Propaganda-Konzerten, wie zuletzt bei „Klassiker auf dem Schlossplatz“ im Mai dieses Jahres in St. Petersburg, bislang nicht geschadet. Er wird nach wie vor von großen westeuropäischen Häusern gebucht: In diesem Jahr wird Sulimsky laut der Operabase-Datenbank auch an der Nationaloper in Amsterdam und im Januar 2026, nach einem Konzert in Moskau, an der Bayerischen Staatsoper in München auftreten. Dabei haben soeben die Bayreuther Festspiele in diesem Jahr eindrucksvoll gezeigt, dass auch ohne politische Hochrisiko-Künstler höchste Festspielqualität möglich ist.


Ein Hauch Italien

Wie bereits vor zwei Jahren war es der Interpret des Macduff, der in dieser Verdi-Oper für einen Hauch von Italien sorgte: Charles Castronovo sang seine einzige Arie „O figli, o figli miei“ zwar vehementer und nicht ganz so weinerlich wie Jonathan Tetelman vor zwei Jahren, sorgte damit aber dennoch für einen Höhepunkt des Abends. Erstklassig auch wieder der Bass Tareq Nazmi, dem Verdi und seine Librettisten als Banco ebenfalls nur kurz die Gelegenheit gaben, ihre Klasse aufblitzen zu lassen. Nobel wie ein Schweizer Uhrwerk führten die Wiener Philharmoniker unter der Leitung von Philippe Jordan durch die Partitur.

Es war schön und gut, diese Arbeit wieder zu sehen. Und doch wächst nach all den nüchternen, anti-romantischen Inszenierungen der vergangenen Jahre der Wunsch nach Regisseuren, die dem Unausgesprochenen wieder Raum geben und die in der Romantik eine spezielle Kraft sehen, die sich kaum besser vermitteln lässt, als im Zusammenspiel mit der Musik.

 

Die Salzburger Festspiele wurden in der Causa Vladislav Sulimsky um ein Statement gebeten, das gegebenenfalls an dieser Stelle zu lesen sein wird.


«Macbeth» – Giuseppe Verdi
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