Kalchschmids Albenpanorama

11/2025

Neu erschienen: Alois Mühlbacher mit Geistlichem von Bach, Rene Patti singt neapolitanische Lieder, und mit «My Fair Lady» wurde ein Superhit des klassischen Musicals erstmals als SACD eingespielt

Klaus Kalchschmid • 15. November 2025

Als Knabensopran blickt Alois Mühlbacher auf eine bemerkenswerte, auch auf CD dokumentierte Karriere zurück. Trotz ähnlicher Tessitura kann er als Mann nur bedingt auf diese Stimme zurückgreifen und muss sich quasi alles neu erarbeiten. „Broken Eyes“ nennt sich sein neues Barockalbum mit Arien und Kantaten von Johann Sebastian Bach. Er beginnt mit der Aria „Ich will auch mit gebrochnen Augen nach dir, mein treuer Heiland, sehn“ aus BWV 125, fährt fort mit der berühmten Kantate „Ich habe genung“ [sic] BWV 82 und ihren drei Arien, zur titelgebenden, die sich wie BWV 125 auf einen Lutherchoral bezieht, „Schlummert ein, ihr matten Augen“ und „Ich freue mich auf meinen Tod“. Mühlbacher singt sie mit schlankem Countertenor, der weich und warm in Mittellage und Höhe klingt, aber ein wenig die Farben in der Tiefe vermissen lässt. Das ist auch bei den anderen Stücken der CD so, wie der abschließenden Kantate „Vergnügte Ruh, beliebte Seelenlust“ BWV 170 mit ihren weiteren Arien „Wie jammern mich doch die verkehrten Herzen“, deren gänzlicher Verzicht auf die Basso-Continuo-Gruppe eindringlich eine irdische Welt veranschaulicht, der jedes (Glaubens-)Fundament entzogen wurde, wie Hubert Hoffmann im Booklet schreibt, und „Mir ekelt mehr zu leben“ oder der zentralen Arie „Wohl euch, ihr ausgewählten Seelen“ aus der Kantate „Gott, man lobet dich in der Stille“, die sich wiederum auf „Ich habe genung“ bezieht. Das Ensemble Pallidor begleitet unter Franz Farnberger subtil und nahezu solistisch. (Solo musica)


Neapolitanische Canzoni einmal ganz ursprünglich und ohne üppigen Orchesterbrei angerichtet gibt sich der Liebesliederreigen der „Serenata a Napoli“ mit Pene Pati und sieben Musikern von Il pomo d‘oro um den Gitarristen Antonello Paliotti, sonst als barockes Originalklang-Ensemble unterwegs. Schon die ersten drei Tracks zeigen mit „O sole mio“, „Napolitana“ und „Maria Mari“ die Bandbreite der Canzoni, bevor eine erste instrumentale Zwischenmusik auf den Spuren einer Tarantella wandelt. Ein leidenschaftliches Liebeslied im Mai („Era de maggio“) und ein reizendes Lied nach Gabriele d`Annunzio folgen und wieder ein Instrumentalstück, diesmal von Tosti. So geht es im schönen Wechsel weiter, folgt auf die titelgebende „Serenata napolitana“ eine „Romance“ und auf einen Block mit drei Liedern rund um das fetzige „A Marechiare“ eine Tarantella. Und natürlich endet das Album mit dem legendären „Funiculi funiculà“, einst komponiert als Werbung für die Seilbahn auf den Vesuv und schon bald so populär, dass Richard Strauss das Lied in seiner Tondichtung „Aus Italien“ zitiert, glaubend dass es eine Volkslied-Melodie sei, später aber Tantiemen an den Komponisten Luigi Denza zahlen musste. Der großartige Tenor aus Samoa geht mit der geforderten Italianità sehr bewusst und verantwortungsvoll um, nichts ist da zu viel oder zu wenig. Im Booklet finden sich neben dem italienischen Originaltext deutsche Übersetzungen. (Warner)


Die Geschichte von «My Fair Lady» ist eine der Superlative: 2717 Aufführungen am Broadway gab es, die LPs der Originalmusik von 1956 waren 173 Wochen auf Platz 1 der Charts und bis heute ist das Musical von Alan Jay Lerner (Buch und Gesangstexte) und Frederic Loewe (Musik) eines der erfolgreichsten und meistgespielten weltweit. Die nun erstmals vollständig aufgenommene Musik als SACD, das ursprüngliche Finale von Akt 1 und die Originalversion von Freddys Song eingeschlossen, kann daran anknüpfen und bietet eine ungemein schmissige, manchmal in den Dialoge geradezu rasante Aufnahme. Allen voran Scarlett Strallen ist eine famose Elisa Doolitte, die das derbe, ungeschlacht redende Girl genauso gut verkörpert, wie die so perfektes Englisch sprechende Lady, dass man sie als Ungarin ausgibt. Als ihr unerbittlicher Lehrer Professor Henry Higgins ist Jamie Parker die richtige Wahl, so hartnäckig quält er Elisa, so selbstmitleidig und chauvinistisch bedauert er, „dass eine Frau nicht sein kann wie ein Mann“. Malcolm Sinclair gibt den Puffer als verständnisvoller Colonel Hugh Pickering. Laurence Kilsby darf mit feinem Tenor um Elisa schmachten, aber auch die vielen kleinen Rollen sind exzellent besetzt. John Wilson dirigiert die Sinfonia of London und den Chor des „My Fair Lady Ensembles“ mit Präzision und enormen Schwung. Das Booklet bietet den kompletten Originaltext ohne Übersetzung. (Chandos)