Bayerische Staatsoper München

Endlich wieder richtige Oper!

Wiederaufnahme von Puccinis «Trittico» in der klaustrophobischen Sichtweise von Lotte de Beer

Stephan Burianek • 14. Juni 2021

Wer seit der Öffnung der Theater noch nicht in der Oper war, der sollte das schleunigst ändern. Davon werden wir nämlich noch unseren Kindern und Enkelkindern erzählen (gesetzt den Fall, es kommen noch welche). Den Schlussapplaus nämlich, den man derzeit zwischen Aachen und Zürich erlebt, wird es in dieser Intensität so bald nicht wieder geben – wie kürzlich in der Bayerischen Staatsoper in München, wo jede zweite Reihe derzeit noch frei bleiben muss, und die restlichen Reihen nicht voll belegt werden dürfen. Unabhängig davon machen die wenigen zugelassenen Zuschauer am Schluss einen Krach einer Vollauslastung. Dass nach dem langen Lockdown noch nicht alle Akteure ihre volle Leistung abrufen konnten, war in diesem Fall nicht so wichtig – Hauptsache, es wurde gespielt.

Keine Nächstenliebe in der Röhre von Bernhard Hammer © Wilfried Hösl (2017)

Diese schöne Beobachtung erfolgte während der gestern zu Ende gegangenen Wiederaufnahme-Serie von Giacomo Puccinis Triptychon, «Il trittico». Die Regie hatte Lotte de Beer 2017 besorgt, wobei ihre Personenregie – zumindest vier Jahre später – einen weniger bleibenden Eindruck hinterlassen hat als das Einheitsbühnenbild von Bernhard Hammer, das eine riesige, sich zum Bühnenhintergrund verengende Röhre darstellt. Ein Teil dieser Röhre ist vollständig im Uhrzeigersinn drehbar, was jeweils am Schluss der drei Einakter für eine szenische Schlusspointe genutzt wird. In «Il tabarro» («Der Mantel») liefert das den stärksten Effekt, wenn der von Michele getötete Luigi bei seiner letzten Fahrt von der Decke baumelt.

Beeindruckend waren auch die Präzision und der herrlich romantische Klang, mit dem das Orchester der Bayerischen Staatsoper unter der mustergültigen Leitung von Bertrand de Billy die Vorstellung mit einem robusten Körper versorgte. Wer den «Trittico» auf den Spielplan setzt, der braucht für die mehr als drei Dutzend Partien zahlreiche Solist:innen, was ein Qualitätsgefälle in der Regel unvermeidbar macht. Am kompaktesten erschien das Sängerensemble im «Tabarro»: Die Partie des Michele liegt Wolfgang Koch nach wie vor gut, mit hoher stimmlicher Präsenz meisterte er sie scheinbar mühelos. Elza van den Heever als Micheles Gattin Giorgetta war keine mindere Freude, ganz wunderbar außerdem Maren Engelhardt als Giorgettas Freundin Frugola. Martin Muchle war ein passabler Luigi.

Umjubelt: Ermonela Jaho als Schwester Angelica © Wilfried Hösl (2017)

Im zweiten Einakter «Suor Angelica» vermochte Ermonela Jaho in der Titelrolle als Klosterschwester, die vom Tod des entwendeten Sohnes erfahren muss, sowohl die Hoffnung als auch die innere Verzweiflung und anschließende Vision stimmlich eindrücklich erfahrbar machen – es war eine Tour de force, die das Publikum danach zum Begeisterungssturm animierte. Auch im dritten Teil, der Komödie «Gianni Schicchi», stand eine Person über allen anderen: Mit unvergleichlicher Wucht gestaltete Ambrogio Maestri stimmlich wie körperlich die gewiefte Titelfigur. Das übrige, im letzten Teil in grellbunte mittelalterliche Kostüme gekleidete Ensemble hatte mit dem in dieser Oper vorherrschenden Konversationsstil seine liebe Not – auch Galeano Salas als Rinuccio, der in seiner Arie mit einem strahlenden Spitzenton immerhin versicherte, in anderen Partien eine erstklassige Partie zu sein. Das Publikum war aus dem Häuschen – endlich wieder richtige Oper! 


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