Salzburger Festspiele
Klüger als der König
In der Reihe „Jung & jede*r“ spielt man in diesem Sommer im Schauspielhaus Carl Orffs «Die Kluge». Eine Kinderkritik
Tamino Burianek • 31. Juli 2024
Wer kennt das nicht: Zuerst hören die Eltern einem nicht zu, und dann bereuen sie es. So geht es auch dem Koch des Königs. Der hatte nämlich ein goldenes Messer gefunden und wollte es dem König geben. Seine kluge Tochter riet ihm davon ab, weil sie befürchtete, dass der König auch die dazugehörige Gabel einfordern würde. Nun sitzt der Koch im Kerker und singt zu einer flotten Trommel mehrmals hintereinander: „Oh, hätte ich meiner Tochter nur geglaubt!“ – Das hört auch der König und lässt „Die Kluge“ im Land suchen, weil er sie verdächtigt, dass sie die Gabel hat. Von der Decke des dunklen Zuschauersaals im Salzburger Schauspielhaus fliegen Flugblätter, aber was genau draufsteht, kann ich nicht sagen, weil ich nicht in der Mitte, sondern am Rand sitze.
Jedenfalls spielt man eine Oper, die so heißt wie ihre Hauptperson, nämlich «Die Kluge». Komponiert hat sie Carl Orff, und sie folgt dem Märchen „Die kluge Bauerntochter“ der Gebrüder Grimm. Es zählt nicht zu den bekanntesten Geschichten der beiden, zumindest kommt diese Geschichte in meinem Märchenbuch nicht vor, und mein Papa kannte es bislang auch nicht.
Das Bühnenbild hat zwei Ebenen: Oben sitzt das Orchester mit der Dirigentin Anna Handler, und auch der König tritt dort auf. Dort steht auch sein „Thron“. Im unteren Stockwerk befindet sich der Eingang zum Kerker, der von einer Zugbrücke verschlossen wird, die gleichzeitig beide Ebenen verbindet, wenn sie heruntergelassen wird.
Die Oper ist nicht durchkomponiert, wie das zum Beispiel im Februar bei Tochs «Prinzessin auf der Erbse» in Linz schon der Fall war (siehe „Reise in ein Erbsenschloss“), sondern es wird immer wieder gesprochen. Allerdings kaum dort, wo ich es besonders wichtig gefunden hätte, nämlich bei den drei Rätselfragen, die der König der Klugen stellt. Jedenfalls kann sie alle Rätsel lösen, aber der gemeine König hält sich nicht an das Versprechen, ihren Vater freizulassen, sondern nimmt sie stattdessen einfach zur Frau – obwohl sie eigentlich nicht will.
Der König schaut ein wenig aus wie ein Clown, mit rot-weiß-gestreiften Strumpfhosen, einer bunten Jacke und einer Feder am Hut. Er wird von Jack Lee gespielt, der sehr kräftige Töne singen kann. Er zeigt auch, dass der König ziemlich dumm und unfähig ist: Ein Postbote behauptet, dass sein „Drahtesel“ der Vater eines frisch geborenen Fohlens ist, dabei gehört es der „Frau mit einem Esel“. Drei Diebe, die immer wieder als Ratten auftreten, werden seine Zeugen, nachdem der Postbote sie mit Paketen bestochen hat (die ihm nicht gehören). Und der König glaubt dem Postboten!
Insgesamt stehen neun Sänger und Sängerinnen auf der Bühne, fünf davon gehören zum „Young Singers Project“, mit dem die Salzburger Festspiele junge Talente fördert. Eine davon ist Marie Maidowski, die die „Kluge“ spielt und singt. Sie hat wuschelige, orangene Haare und eine hohe, schrille Stimme. Manchmal fragt sie das Publikum, was sie tun soll, und einige Kinder schreien ihre Tipps. Am Ende verbündet sie sich mit der Kerkermeisterin (Cornelia Dexl) und mit der Frau mit dem Esel (Tamara Obermayr), die dem Prinzen einen Schlaftrunk kochen. Als der Prinz wieder aufwacht, findet er die Gabel in seiner Jacke stecken – er hatte sie die ganze Zeit bei sich und sieht seine Fehler am Ende ein.
Ich finde, diese Oper hat eigentlich keinen wirklichen Ohrwurm, außer das allererste, schon erwähnte Lied vom Koch, der von Egor Sergeev gespielt und mit einer tiefen, kräftigen und angenehmen Stimme gesungen wird. Die Musik hat meist einen flotten Rhythmus und manchmal hört man aus dem Orchester eine Flöte oder eine Geige eine besonders schöne Melodie spielen.
Nachher hat mir mein Papa erzählt, dass die Regisseurin Giulia Giammona die Geschichte der Oper ziemlich stark verändert hat. Erstens ist es in der Oper kein Koch, sondern ein Bauer, der auf dem Acker des Königs einen Mörser findet. Das macht aber in Wahrheit keinen großen Unterschied. Allerdings hält sich der König in der ursprünglichen Geschichte an sein Versprechen und lässt den Vater der Klugen frei – er ist also nicht ganz so gemein, und die Kluge mag ihn eigentlich. Trotzdem verstößt der König später die Kluge aus dem Schloss, weil sie wegen der Eselgeschichte gestritten haben. Die Kluge darf in ihrer Truhe eine Sache aus dem Schloss mitnehmen. Sie nimmt den schlafenden König mit und überlistet ihn dadurch. Die originale Geschichte finde ich eigentlich besser, weil sie mir logischer vorkommt. Denn warum findet der König ausgerechnet nach dem Aufwachen plötzlich die goldene Gabel? Gefallen hat es mir aber trotzdem.
«Die Kluge» – Carl Orff
Salzburger Festspiele · Schauspielhaus
Kritik der Aufführung am 30. Juli
Termine: 3./7./10./14./17./20./25. August
Tamino Burianek ist neun Jahre alt, lebt in Wien und geht ab dem kommenden Schuljahr in die vierte Klasse Volksschule.