Stiftung Mozarteum Salzburg
Viva Monteverdi! Und Mozart auch
Die Mozartwoche ist fulminant gestartet. In 51 erstklassig besetzten Veranstaltungen zeigt man in diesem Jahr mehr oder weniger klare Verbindungen zum Salzburger Genie
Stephan Burianek • 26. Januar 2025
Diese Orchesterfarben, dieser Ausdruck – man wähnt sich in Mozarts «Don Giovanni» und hat, wie wohl die meisten Personen im Publikum, dieses Werk trotzdem nie gehört: Antonio Salieri schrieb für seine französische Oper «Les Danaïdes» (Die Danaiden) eine Ouvertüre, die Mozarts Wüstlingsklangwelt vorweggenommen hat. Im vergangenen Jahr setzte die Salzburger Mozartwoche dem leider immer noch verkannten Salieri einen Schwerpunkt, heuer eröffnete das Mozarteumorchester Salzburg unter ihrem Chefdirigenten Roberto Gonzáles-Monjas die Jubeltage rund um Mozarts Geburtstag mit diesem Werk von ihm.
„Destination Mozart“ lautet das diesjährige Festivalmotto, das auf Mozarts Wegbereiter und Zeitgenossen abzielt. Und so war das zentrale Werk am Eröffnungsabend, das u.a. heute in ORF III übertragen wird (siehe unten), Christoph Glucks „Don Juan“-Ballett. „Gute Künstler kopieren, sehr gute Künstler stehlen“, zitierte der dauergutgelaunte Festivalleiter Rolando Villazón den großen Pablo Picasso – und ergänzte: „Und Mozart darf sowieso alles“.
Ein Chef darf bekanntlich auch viel, und so führte Villazón zwischen den einzelnen Teilen zweisprachlich durch die Don-Juan-Handlung – das war gewissenhaft einstudiert. Vor allem aber stellten Roberto Gonzáles-Monjas und sein Team vom ersten Takt an klar, dass sie an dem ziemlich ambitionierten, weil erfreulich langen Programm intensiv geprobt haben mussten, denn die künstlerische Qualität glich einer Galavorstellung. Ob Salieri, Gluck, Mozart oder Haydn: Das war alles perfekt ausbalanciert, mit exakten Einsätzen und einer mitreißenden Dynamik. Makellos sang Lauren Snouffer Mozartarien bevor die Pianistin Gabriela Montero das Publikum nach dem Klavierkonzert d-Moll KV 466, das sie mit eigenen Kadenzen garniert hatte, zu einem Sturm der Begeisterung hinriss. Sie hatte es nämlich eingebunden und gebeten, ihr eine bekannte Melodie vorzusingen – und improvisierte anschließend so lange auf Mozarts Cherubino-Arie „Voi que sapete“, bis die Melodie nach einem wilden Ritt aufgelöst zu sein schien.
Unbekannter großer Wegbereiter
Einen ganz großen Vorfahren kannte Mozart voraussichtlich nicht: Es sei eher unwahrscheinlich, dass der Salzburger den Namen Claudio Monteverdi oder gar dessen Musik gekannt hatte, sagte Peter Wollny, der Direktor des Bach-Archivs Leipzig, im „Eröffnungstalk“ mit dem Wissenschaftlichen Leiter der Stiftung Mozarteum Ulrich Leisinger: „Mozart hätte große Anstrengungen unternehmen müssen, um überhaupt den Namen Claudio Monteverdi zu finden. Man kannte von ihm lediglich zwei, drei Daten, aber keine Werke.“ Der Grund: „Man hat im 18. Jahrhundert immer nach vorne geschaut, weil man dachte, die Musik werde immer besser.“ Das führte sogar dazu, dass man stapelweise alte Noten verbrannte und sich auch noch wohlig dabei fühlte, denn die einstige Musik würde den „heutigen Ohren nicht mehr schmecken“, soll Johann Sebastian Bach einmal gesagt haben. Die Alte Musik entdeckte man erst ab dem 19. Jahrhundert wieder.
Die einzige Verbindung zwischen Mozart und Monteverdi ist wohl, dass beide Komponisten die Musik und die Opern ihrer Nachfolger stark geprägt haben. Die Entscheidung für Monteverdis «Orfeo» als diesjährige große Opernproduktion lässt sich für eine Mozart-Stiftung dramaturgisch kaum untermauern und unterliegt wohl eher praktischen Gründen: Mozartwochenchef Rolando Villazón sang die Titelpartie vor bald zwei Jahren an der Semperoper, nun engagierte er sich gleichsam selbst und brachte die von der Kritik gefeierte Inszenierung von Nikolaus Habjan mit.
Die steile, das Bühnenbild maßgeblich prägende Treppe musste neu gebaut werden, weil man das Dresdener Exemplar zuschneiden hätte müssen, sich das Publikum dort aber längst in die Produktion verliebt hat und sie daher im Repertoire behalten wird. Das ist freilich kein Wunder, denn als begnadeter Theaterauteur versteht es Habjan, mit scheinbar einfachen Mitteln eine größtmögliche Wirkung zu erzielen. Sein «Orfeo» lebt von einer geradezu poetischen Bühnenästhetik, die neben einem handwerklich grandios umgesetzten Puppenspiel vom peniblen Zusammenspiel von Ausstattung und Lichtdesign geprägt ist. So wirkt etwa der Olivenbaum, als sei er am selben Tag der Natur entnommen worden. Wenn ebendieser Baum während Orpheus‘ Trauer nach dem Tod Eurydikes vereinzelt seine Blätter fallen lässt, dann ist dieser Effekt gleichermaßen simpel wie stark. Das betrifft auch die lebensgroßen Handpuppen von Orpheus und Eurydike, die lediglich aus Kopf, Armen und Tuch bestehen. Wenn sie, durch die Puppenspieler und die Solisten geführt, miteinander agieren, dann erhält dieser Verfremdungseffekt die ganz eigene Qualität einer Seelenschau.
Rolando Villazón stemmte die Titelpartie bei der ersten von zwei Vorstellungen achtbar, wiewohl man sich von einem Orpheus mehr jugendliche Leichtigkeit erhofft, als es seine dunkle, verschattete Stimme noch zu leisten vermag. Ihm zur Seite agierten ausschließlich wohlklingende, wenngleich nicht allzu große Alte-Musik-Stimmen, darunter puristisch schön Luciana Mancini (Silvia, die Botin), Tamara Ivaniš (Euridice) und Céline Scheen (die Musik & Proserpina) und Eric Jurenas (Hoffnung).
Schlicht grandios legte das Ensemble L’Arpeggiata unter der Leitung von Christina Pluhar die musikalische Basis. So warm und weich hört man die Fanfaren zu Beginn selten. So, wie sich generell ein, man ist verleitet zu schreiben „weibliches“ Klangideal von ungemein zarter Schönheit über den gesamten Abend hinweg ergoss. Ob es die elektroakustischen Effekte wie das mehrmalige Korkenknallen zu Beginn oder den Stereo-Lautsprecher-Sound während der Orpheus’schen Himmelfahrt am Ende wirklich bedurfte, darf indes dahingestellt werden.
Genial, aber nicht immer fair
Von diesem Monteverdi-Diskurs abgesehen steht der direkte Einfluss anderer Komponisten auf Mozart sowie Mozarts Blick auf seine Zeitgenossen in diesem Jahr im Fokus, wie u.a. die beliebte Reihe „Briefe und Musik“ in Mozarts Wohnhaus zeigte. Stefan Wilkening rezitierte aus Briefen, aus denen Mozarts leidenschaftliche Parteinahme für Johann Christian Bach ebenso zum Ausdruck kam wie seine hochmütige und oft nicht ganz faire Sicht auf andere zeitgenössische Künstler, wie den Cembalisten und Komponisten Muszio Clementi und den Tenor Anton Raaff.
Auf die Mozart’schen Bearbeitungen vorhandener Werke wies zudem ein Konzert der Händel-Kantate «Das Alexander-Fest» mit der Camerata und dem Bachchor Salzburg unter der Leitung von Ivor Bolton hin. Im Auftrag von Baron van Swieten „modernisierte“ Mozart den Klangcharakter dieses Werks, indem er es ausschmückte und Holzbläser-Stimmen hinzufügte. Ob Mozart oder Händel, am Ende dieses erstklassigen Konzerts mit Louise Alder (Sopran), Morgan Pearse (Bass) und dem leider kaum verständlichen Siyabonga Maqungo (Tenor) wurde – und das scheint auch ein roter Faden der diesjährigen Mozartwoche zu sein – heftig gejubelt. Bis zum 2. Februar führen insgesamt 51 Veranstaltungstermine noch zur „Destination Mozart“.
Zum Thema
PODIGEE / INTERNATIONALE STIFTUNG MOZARTEUM
Podcast #14: Eine Oper zieht um (Beitrag über die Neuproduktion von «Orfeo»)
Ausstrahlungen des Eröffnungskonzerts
im Radio: 31. Januar, 19:30 Uhr in Ö1
im TV: 26. Januar, 20:15 Uhr in ORF III und 1. Februar, 20:15 Uhr in 3Sat
OPERN∙NEWS
Mozartwoche Salzburg: Unterhaltung mit Tiefgang (Kritik zur Mozartwoche 2024) – von: Stephan Burianek, 28.01.2024